07 – Gustav Albert Lortzing – Waffenschmied

Waffenschmied.

Bei diesen außerordentlich erschwerenden Verhältnissen ist es nicht zu verwundern, daß unter den eigentlich populär gewordenen Opern Lortzings: “Czaar,” “Wildschütz,” “Undine,” und “Waffenschmied,” die letztere, obschon bühnenreifste, ihrem Kunstwerte nach vielleicht dennoch den ersteren nachsteht. Gleichwohl hat dieselbe durch ihr gesundes und volkstümliches Buch, sowie ihre heiteren und, wo es gilt, hochpoetischen Melodien noch stets und überall ein dankbares Publikum gefunden und muß auch dieser Versuch des komponisten, dem Volke als Dichter und Musiker durch die komische Oper näher zu treten, als ein geglückter bezeichnet werden. Jenen freien künstlerischen Schwung freilich, der den Hörer in “Czaar und Zimmermann” gleich einem erfrischenden Hauch umweht, sowie jenen energischen Ansatz zu einem tieferen Erfassen der Musik, wie er uns in der “Undine” so oft zauberhaft umtönt, vermissen wir in diesem Werk; die Unsicherheit der Zeit, mancherlei Mangel und Entbehrung haben ihm gleich einem kalten Gifthauch das frische Kolorit der freudig schaffenden Sanges- und Klangeslust genommen. Der in beschränkterer Weise auch der “Undine” gemachte Vorwurf, das es ihr an stilgerechtem Aufbau fehle, während das Lied zu sehr in den vordergrundrete, gilt in noch weit höherem Maße vom “Waffenschmied.” Doch ist es vielleicht gerade diesem Umstand zuzuschreiben, daß die Oper durchgehends von der Menge mit großer Begeisterung aufgenommen worden ist und viele ihrer sorglos heiteren und jovialen Melodien Gemeingut des Volkes geworden sind. Ein echt herzlicher sinniger Humor, große Bühnenwirksamkeit, die die Hand des erfahrenen Künstlers verrät, sowie vor allem schöne, leicht faßliche und darum populäre Melodien zeichnen das Werk aus und wiesen ihm von seinem ersten Erscheinen seinen Platz unter den Lieblingen des Volkes an. Wie im “Hans Sachs,” so spielt sich auch hier die Handlung auf dem soliden Boden harmlosen kernigdeutschen Bürgerlebens im Mittelalter ab. Der bürgerstolze, ernst-joviale Stadinger, die liebliche Marie, gleich Webers “Agathe” und “Ännchen” ein poetisch anmutendes Mädchenbild, sowie der urkomische Ritter Adelhof sind echt deutsche Gestalten, deren Charakteristik textlich wie musikalisch mit gleich objektiver Treue ausgeführt ist. Beherrschte Lortzing eine feinere Individualisierung der einzelnen Ochesterstimmen, sowie einen einheitliche Zusammenführung derselben zu einem gewaltigen Totaleindruck schwerer, so muß die Korrektheit und Unbefangenheit der Instrumentation anerkannt werden. Die Arie im großen Stil, mit der sich Lortzing bisher noch nie so recht befreundet hatte, brachte der Komponist im “Waffenschmied” einmal recht geschickt zur verwendung und zwar am Schluß es ersten Finales: “Er schläft! Wir alle sind in Angst und Not, und er kann schlafen!” wo es dem Meister gelungen ist, ein hohes Ziel zu erreichen. Sicher ist, daß “Der Waffenschmied” sich den übrigen, auf volkstümlicher Grundlageaufgebauten Opern würdig anschließt und es ist unverkennbar, daß es Lortzing mit seinem Prinzip der Darstellung deutschen Volkslebens nach Form und Inhalt hin zu einem Grade der Kunstvollendung brachte, der ihm seine Zugkraft auf fernste Zeit hinaus gesichert hat.

Bemerkenswert ist eine vortreffliche Einlage von Ignaz Lachnerfür diese Oper: “Ich will’s den Leutle zeige” für den RitterAdelhof, die allgemein Eingang fand.

Anfangs schien “Der Waffenschmied” berufen zu sein, für Lortzing ein neue Ära des Ruhmes, sowie freien künstlerischen Schaffens heraufzuführen.

Pokorny, der Direktor des Theaters an der Wien, machte das erste Aufführungsrecht dieser Oper zu einer Bedingung des Kapellmeister-Engagements Lortzings nach Wien.

Mit schwerem Herzen verließ er Mitte April 1846 sein geliebtes Leipzig, um bald in der schönen Donaustadt einzutreffen, auf welche er in einem schönen Theater mit einem Künstlerpersonal ersten Ranges neue Erwartungen setzte und wo er für den Hoffnungsanker seines Lebens doch schließlich noch festen Grund zu finden hoffte.

Sein neunzehntes Bühnenmusikwerk, die Oper “Der Waffenschmied,” am 30 Mai 1846 zum erstenmal in Wien aufgeführt, brachte bei dem Wiener Publikum, das durch die trillernden und trällernden Weisen der italienischen Musik stark entwöhnt worden war von den einfachen Zügen deutscher Herzlichkeit und Innigkeit, nicht den gewünschten Erfolg.

In einer Stadt, wo Mozart, Beethoven, Gluck und Haydn gelebt und gewirkt hatten, konnten Spohrsche und Marschnersche Opern nur anstandshalber manchmal gegeben werden und so mußte sich denn Lortzing, dessen eigene Werke eben auch gänzlich vernachlässigt wurden, die überzeugung aufdrängen, daß Wien, wie überhaupt Österreich, kein Boden für ihn sei.

Pokorny, von dem Lortzing sagt, daß er wohl Ringelhardts Energie, aber bei weitem nicht dessen Verstand besitze, hatte die gewagte Idee, der großen Oper und dem Burgtheater Konkurrenz machen zu wollen, that aber zur Ausführung derselben nicht einmal so viel, daß er wenigstens Ordnung hielt in seinen Direktionsgeschäften, überwarf sich zudem noch mit der Kritik und konnte es nun nicht mehr hindern, daß das Unternehmen mit Riesenschritten herunterkam.

In dieser Zeit des sichtlichen Verfalles der bestehenden Theaterverhältnisse in Wien wurde auch Lortzings Familie von einem schweren Verlust betroffen. Seine Mutter, die schon seit Jahren leidend gewesen war, trorzdem aber die Beschwerlichkeiten der Wiener Reise nicht gescheut hatte, um dem Sohn wenigstens im kleinen Kreis die ersten Schwierigkeiten des Anfanges überwinden zu helfen, starb am 12. Dezember 1846. “Du kannst dir nicht das Bild ausmalen,” schrieb er unterm 3. März 1847 an Düringer, “wie die ganze Familie, groß und klein, das Sterbebett umringte und weinte, wie manches von den Größeren sich mit Schmerz sagen mußte: ‘Du hast die vortreffliche Frau oft gekränkt und häufig nicht verstanden’ – wie meines guten Weibes aufrichtige Thränen flossen, welches sich wegen ihres exemplarischen Benehmens gegen die Entschlafene einen Extraplatz im Himmel verdient hat und ich – o es war eine recht erschütternde Scene.” Sie war den Ihrigen eine äußerst liebevolle und gute Mutter gewesen, hatte mit ihrem schlichten klaren Verstande oft dem Sohne den rechten Weg gezeigt, und als dieser denn, nun auch dieser Stütze seines Lebensmutes beraubt, aller liebevoll beratenden Freunde bar, vor sich sah auf das wankende Gebäude, der Wiener Theaterverhältnisse, da mögen oft bange Sorgen seine Brust gequält haben.

Eine Auslese aus seinen Briefen vom Ende des Jahres 1847 läßt uns einen Blick thun in seine Stimmungen: “Neulich habe ich in der Theaterchronik ein Citat aus einer Frankfurter Zeiung gelesen, wo meiner liebevoll gedacht ist. Ach! das hat mir wohl gethan. Hier red’t kein Hund von mir.” – “Die Direktion ist mit der Kritik total zerfallen, wir mögen anstellen, was wir wollen, wir werden gehunzt; dazu kommt noch die Perspektive, daß mit Beginn des Frühjahrs unser Herr Direktor das Theater wohl auflösen wird, da seine Finanzen total zerrüttet sind. Du ersiehst aus allem dem, daß meine Existenz keine besonders erfreuliche ist, und wenn ich offen sein soll, so ist die Hoffnung auf eine zu erwartende Umwälzung der Theaterumstände noch das einzige, was mich ermutigt, denn so kann es nicht bleiben.” – “In diesen Tagen wird meine neueste Oper ‘Zum Großadmiral’ in Leipzig gegeben. Hier währt es mir zu lange, denn an unsrer Bühne kann man stets vor Gästen nicht zum Einstudieren neuer Sachen kommen.” – “Braunhofer schreibt mir, daß meine Oper ‘Zum Großadmiral’ in Leipzig sehr beifällig aufgenommen worden sei. Du siehst, wie vortrefflich unsere Theaterverhältnisse sind, daß ich mein jüngstes Kind muß auswärts taufen lassen.” Dieses jüngste Kind, das erste also, welches außerhalb der Mauern Leipzigs geboren war, mußte, wie wir sehen, nach Leipzig fliehen, gleichsam dem Mutterland der Lortzingschen Muse, um die erste Aufführung dort zu erleben.

08 – Gustav Albert Lortzing – Zum Großadmiral. ›