AMZ: 40 – 1838

Januar. No 2; p.30

Leipzig. Am 22. Decbr. wurde zum ersten Male eine neue komische Oper, und zwar die zweite, von G.A. Lortzing, aufgeführt: “Zar und Zimmermann, oder die zwei Peter” in drei Akten. Sie gefiel wie die erste; nicht Weniges wurde lebhaft applaudiert und der Komponist, der zugleich den jungen Zimmermann, Peter Iwanow, recht gut, wie immer, spielte, wurde zum Ende des Stückes herausgerufen. Er erschien mit Dem. Günther, deren Naives sehr beliebt ist, und mit Hrn. Berthold, der den Bürgermeister in Saardam, auf dessen Komik die ganze Oper weit mehr, als auf den Gang der Handlung basiert ist, in bester Laune mit dem glücklichsten Erfolge vortrug. Mit einem solchen Bürgermeister wird das Stück, das mit vielen Schlageffekten ganz im Geschmack der Zeit wirksam gehalten ist, überall gefallen. Hr. Lortzing versteht das Theater und den Lauf der Welt, der er mit klugem Fleiße nichts anderes gibt, als was sie schmackhaft findet. Wir tadeln dies nicht im Geringsten, im Gegenteile erkennen wir des Mannes Gewandtheit nach Verdienst an; er weiß zu wohl, das auf teutschen Bühnen von einen Teutschen eben nichts durchgeht, als was sich dem Behagen mit heiterem Sinne fügt. Das will und das versteht er, und darum ist die Oper bestens zu empfehlen.


Februar. No 6; p.92

Nachrichten.
Leipzig. Am 29. Jan. hatte Hr. Ferd. Stegmayer, Musikdir. unsers Stadttheaters, eine grosse musikalisch-deklamatorische Abendunterhaltung im Theater veranstaltet, die nicht wenig besucht war. (…) Das Septett aus “Lestocq” von Auber, gesungen von den Damen Franchetti-Walzel, Günther und Limbach end den Herren Lortzing, Pögner, Richter und Swoboda, erregte wieder Furore.


Mai No 5;

Intelligenz-Blatt zur allgemeinen musikalische Zeitung.
Anzeigen von Verlags-Eigenthum.
Neue Musikalien im Verlage von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Oster-Messe 1838

  • Für Orchester: Lortzing, A. Ouvertüre zur Oper: Czaar und Zimmermann 1 Th, 16 Gr.
  • Für Pianoforte zu vier Händen,: Lortzing, A. Ouvertüre zur Oper: Czaar und Zimmermann, Eingerichtet von F.L. Schubert – 16 Gr.
  • Potpourri aus derselben Oper 1 Th, 8 Gr.
  • Für Pianoforte allein.: Lortzing, A. Ouvertüre zur Oper: Czaar und Zimmermann, – 16 Gr.
  • Potpourri aus derselben Oper 1 Th –
  • Für Gesang: Lortzing, A. Czaar und Zimmermann, kom. Oper in 3 Akten. Vollständige Klavierauszug 6 Th –

August. No 31; p.501

Czaar und Zimmermann, Oder die beiden Peter.
Komische Oper in 3 Akten, komponiert von G.A. Lortzing (Regisseur der Oper am Leipziger Stadttheater). Leipzig, bei Breitkopf und Härtel. Preis 6 Thlr.

In einer Zeit, wo Mord, Pest, Schrecken und Jammer aller Art zu pikanter Erlabung der Opernfreunde von den Brettern herab uns oft in greulichen Dissonanzen vorsingen müssen, damit wir etwas fühlen, ist von einer Seite eine komische Oper sehr erwünscht, von der anderen aber auch schwierig, wenn sie nicht sporlos vorüberrauschen soll. Die Schwierigkeit liegt mehr noch im Text als in der Musik. Gäb’ es mehr glücklichgetroffenen Texte für komische Opern, wir hätten auch mehre glückliche Kompositionen derselben. – Indessen machen Schwierigkeit der Auffindung und Durchführung humoristischer Opernfabeln, so wie der Mangel, auch leichter zufrieden. Um deswillen könnte man wohl auch nicht grundlos behaupten, es sei jetzt wieder weit gerathener, als noch vor Kurzem, sich der komischen Oper von Neuem anzunehmen. Das zu Verdüsterte und Schreckenvolle wird doch am Ende, wie alles Einseitige und zu oft Aufgetischte, auch lästig und ruft ein Verlangen nach leichterer Kost hervor. Nur ist dabei immer zu beachten, dass den durch zu starkes Gewürz verwöhnten Zungen nicht auf einmal alles Gewürz entzogen und das Mahl zu unvermischt, wenn auch noch so gesundheitgemäss, bereitet werde. Verwöhnung wird zur andern Natur, und eine völlig unverkünstelte Natur ist die Menschliche höchst selten, weshalb es denn auch der Geschmack nicht sein kann. Man hat also in allen Dingen, wo auf behagen und Wohlgeschmack etwas ankommt, dafür zu wenig Gäste einstellen, was alle Mühe vergebens macht.

Das letzte Übel hat nun der Verfasser dieser komischen Oper, der die Bretterwelt seiner Stellung nach seht wohl kennt, geschickt zu vermeiden gewusst. Die beiden peter sind in Leipzig etwas 15 Male bei gut gefülltem Hause mit Beifall gegeben worden und werden immer noch gegeben. Das dem Zeitgeschmack Zusagende hat er also getroffen, und das ist bei einer komischen Oper ganz vorzüglich das Zuträglichste, ja das Erwünschteste. Denn mag man auch von der Ewigkeit eines solchen Werkes träumen, was man will, in ernsten Dingen der Kunst lässt sich ein wirksames Fortbestehen, so selten es in der Wirklichkeit vorkommt, doch denken und sogar an wenigen Beispielen nachweisen, hingegen in komischen, dem Wesen der Sache nach, kaum; es wäre denn, dass man geschichtlich Bestehendes und von der Gelehrsamkeit Begünstigtes mit dem Einflussreichen und Festgehaltenen im Völkerleben einer späteren Zeit vermengte. Die eigentlichen Saugwurzeln des Komischen ziehen ihren Lebenssaft aus dem Wesen der frischen Gegenwart, niemals aus dem Grabgefilde der Vergangenheit. Wie käme es sonst, dass weder Matrimonio segreto, noch der Doktor und Apotheker oder dergleichen jetzt noch allgemein ansprechen können, so lebhaft sie auch wirken und so trefflich sie auch sind? So ist uns wenigstens auch kein Beispiel bekannt, dass irgend ein Komisches, was seiner Zeit nicht angenehm gewesen wäre, von der Nachzeit zum Volksliebling erhoben worden wäre. Ist nun die Gegenwart überhaupt kein übler Lebensboden, was man auch gegen ihre Beschaffenheit, zuweilen scheinbar genug, ja mit Grund, sobald das Zeitige mit dem Idealen zusammengehalten wird, einzuwenden haben mag, so ist er es dem Komischen doppelt und dreifach. Und so kommt denn hierin auf das gefallen vorzüglich viel an; und gefallen hat die Oper, hat also das Zeitgemäße gut getroffen, was ihr nur zum Vorteil gereichen kann.
Auf welche Weise hat das der Verfasser nun erreicht? Ist man jetzt ziemlich allgemein damit einverstanden, dass bei einer Oper überhaupt sehr viel auf die Beschaffenheit des sogenannten Buches zu geben ist, so dürfte dies von einer komischen Oper abermals doppelt gelten. Es darf also jetzt bei einer Opernbetrachtung der Text gar nicht vernachlässigt werden. Und so sei denn die Beschaffenheit der Wortgrundlage und der szenischen Zusammenstellung das Erste, was wir uns kurz vergegenwärtigen.

Erstlich hat der Verfasser seine Handlung nicht nur auf einen dichterisch schon gegebenen, sondern auch geschichtlichen Stoff gebaut, Beides jetzt nicht ungewöhnlich und, bei vorausgesetzt schicklicher Wahl, meist vorteilhaft. Ein schon gekannter Stoff, der Wesenheit des Inhalts nach, ist von den Hörern leicht aufzufassen und festzuhalten, selbst wenn die Sänger, wie nicht selten, schlecht aussprechen. Dem Anziehenden im Einzelnen, den Ausschmückungen und den Karaktereigentümlichkeiten bleibt noch genug, was hinzugetan oder anders und neu gewendet werden kann. Ferner gibt das Geschichtliche, wovon das Bekannte der Mythenwelt hier nicht ausgeschlossen sein soll, besonders wenn Personen höheren oder höchsten Ranges mit in’s Spiel kommen, dem Komischen, was im gewöhnlichen Leben sich ergeht, etwas Würdiges, einen Anstrich vom Prächtigen, was die Oper liebt, kurz eine wohltuende Mannigfaltigkeit. Peter, der Czaar, der sich als Zimmermann-Geselle darstellt , steht hier eben so natürlich mit Personen des alltäglichen Lebens in Verbindung, wie mit dem Peter Iwanow, dem jungen russischen Zimmermann, mit van Bett, dem Bürgermeister von Saardam, Marien, seiner Nichte, und der verwittweten Zimmermeisterin Browe, die Alle etwas verschiedenartig Komisches erhalten dürfen, dann von der andern Seite mit dem russischen (General Lefort), dem englischen (Lord Lindham) und dem französischen Gesandten (Marquis v. Chateauneuf), die das Volkstümliche höherer Stände der verschiedenen Nationen, bald beliebig ernst, bald komisch repräsentiren. So ist also schon in der Anlage für leicht übersichtlichen Stoff und in guter Einheit für größte Mannigfaltigkeit opernhaft bestens gesorgt. – Der Kaiser edel, sein General eine füllende Anstandsperson, der französische Marquis galant verliebt und lebensgewandt, der Lord gravitätisch steif und etwas borniert; der Bürgermeister ein Geck, dessen Torheit sich für weise hält, Peter Iwanow, eifersüchtiger Liebhaber der schalkhaften Marie, deren Schutz- und Schirmfrau die Zimmermannwittwe ist. Das Übrige tun die arbeitenden und feiernden Zimmerleute, eine Volkshochzeit und die hinterbrachte Verschwörung gegen den Kaiser hinzu, der mit List seine Abfahrt glücklich beschleunigt. – Verlangte man Neuheit der Karaktere, so müsste man sich zuvörderst besinnen, dass die nicht in der allgemeinen Feststellung der Grundart derselben, sondern in den besonderen Beimischungen, Verbindungen mannigfaltiger Eigenschaften und Stufenhaltungen der Grade der Haupt- und Nebeneigenschaften allgemein angegebener Art, sowie nur erst in der Ausführung und den Situationsfolgen sich zeigen könne, wovon jedoch hier noch gar nicht die Rede sein kann; müsste dann mit sich einig werden, wie weit dies dem leichten Spiele einer Komischen Oper, wo nicht sowohl viele Worte, sondern eben nur natürliche Leidenschaften und Grundformen menschlicher Wesen gegeben werden können, vorteilhaft wäre oder nicht; müsste überlegt haben, ob freundliche Unterhaltung mit zwar schon bekannten, aber durch Karikierung aufgefärbten und fernenden Allgemeinkarakteren gerade für die komische Oper, nicht besser, d.h. wirksamer und ansprechender sei, als irgend eine tiefer liegende und nur von feinfühlenden und scharfdenkenden Hörern aufzufassende Neuheit. Nichts verdirbt das Komische, das aus dem Leben gegriffen und etwas in’s Übertriebene gezogen sein will, mehr, als zu viel Suchen nach Neuheit und Originalität, die sich nicht breit wichtig machen und anspruchsvoll aufdrängen, sondern nur gelegentlich, wie ein zündender Funke, unaufhaltbar hervorglühen muss. – Das ist das Hauptwirksame dieser komischen Oper, dass sie mit Leichtigkeit, ohne alle Anmaßung, das Spiel als Spiel hält, eben Weg lässt und nicht Bruben gräbt, wo keine nötig , vielmehr lästig, ja oft ärgerlich sind.

Denselben Vorzug hat auch die Musik. Sie will und sucht nichts, als angenehme, eingängliche Unterhaltung; sie zieht das Natürliche dem Gekünstelten vor, fragt nicht erst lange, ob irgend einmal Jemand eine ähnliche Tonreihe schon gehabt hat oder nicht; sie will durch leichten Fluss der Melodie und des Rhythmus viel lieber gefallen, als durch streng Gearbeitetes auffallen, oder gar durch Bizarres einschneiden; entfernt sich nicht vom beliebt Zeitgemäßen, sondern sucht es vielmehr durch gute Benutzung sich zu befreunden und nützlich zu machen; nirgends fühlt man daher die Geißel der Originalsüchtelei, die in der Regel nicht aus angeborener Kraft, sondern im falsch verstandenen Armuthstolze um sich haut u.s.w. Kurz man sieht an dieser Oper, was ungeschminkte Natürlichkeit, mit Talent und Geschick gepaart, für zeitgemäße Unterhaltung auszurichten vermag. Wir werden dies Alles an den einzelnen Nummern bestätigt finden.

Nach einer angemessenen, in öfter wechselnden kurzen Sätzen wohl zusammenhängenden und zeitgemäßen Ouvertüre, deren Art wir mit teutschfranzösich neuen Geschmacks bezeichnen möchten, tritt die Introduktion mit einem leicht und volksmäßig gehaltenen Chore der arbeitenden Zimmerleute, 3/4, All.vivace, F dur, ein, dazwischen sich im gleich fröhlicher Weise die beiden Peter Solo hören lassen, auch mit einem Liedchen zum Preise des Handwerks, Alles tanzlich bis auf wenige Takte 4/4, worin der Czaar als Zimmergeselle zu geschäftiger Arbeit ermuntert; das Melodische frisch und ungesucht, daher schnell zu behalten, das Harmonische ohne Umstände und in der herrschenden heutigen Opernweise, besonders durch hübsche Rhythmisierung lebhaft gemacht. In No.2. singt die artige Marie ihrem Iwanow zur Kur und dem Hörer zum Vergnügen eine heitere Ariette, 2/4, vor: “Die Eifersucht ist eine Plage”, oft parlando und zwischen sen Absätzen kurz gesprochen, wie es sonst gewöhnlich war und noch ergetzlich ist; besonders komisch gegen das Ende, wo sie den Puls des durch Schäkerei aufgereitzen Liebhabers fühlt, und im stringendo die Fagotte die schnellere Bewegung des Pulsschlages auf einem Tone vorbilden, woraus sie schließt, dass er noch nicht kurirt ist, und ihm gute Besserung wünscht. – In No. 3. Singt der Czaar: “Verrathen! Von euch verrathen! Denen ich vertrauen und Liebe geweiht.” Hier würde Mancher mehr getobt haben mit Instrumenten und Akkorden. Der Verfasser lässt aber auch hier das Melodische vorwalten, nimmt den Karakter überhaupt nicht wild stürmsich, sondern besonnen lebhaft, in sich getröstet durch das Bewusstsein, das Beste seines Volkes zu fördern, dann überlegend, wie sein begonnenes Werk zu schützen sei, und zum Äussersten entschlossen. Dabei fehlen nun zwar weder die verminderten Septakkorde noch die Nonenvorhalte, die Lieblinge der Zeit, noch einige Koloraturen; das Meiste ist jedoch in klarer Melodie mit öfterem Tempowechsel. – Nach dieser, der komischen Oper angemessen leicht gehaltenen Verwickelungsarie der Handlung, die auf folgende Taten spannt, beklagt sich nun in No. 4 der komische Bürgermeister über die unerhörten Plagen seines Amters, mit eingemischt lateinischen Wörterchen und aufgeblasener Lobsucht seines Genies, dass er wisse Akten zu schmieren, zu bombardieren, zu rationieren, expektorieren, inspizieren, echauffieren, malträtieren, als Saardams grösstes Licht. “O ich bin klug und weise und man betrügt mich nicht”, ein Sprüchlein, das mit seiner Melodie in der Folge öfter wiederkehrt und dadurch das Komische vermehrt. In dem an und für sich zum Gezierten sich neigenden 9/8 Takt kann er nicht Worte genug finden, sein Äußeres und Inneres zu preisen, “mit einem Wort er ist ganz Netto”. Auf “Wort” eine nach alter Art durch sechzehnteilpausen zerhackte Passage, und auf “netto” vom eingestrichenen d in’s große B sich wagend, worauf der Kontrafagott auf der Fermate ganz allein die Oktave tiefer zu des Sängers stutzender Verwunderung stark anbläst. Gleich will er seine Tiefe zeigen, macht eine Kadenz, die bis in’s große F führen soll, kann es nicht erreichen und “sperrt den Mund auf, als sänge er den Ton”. Die Scherze sind nicht neu, der ganze Karakter auch nicht, und dennoch wirkt er, denn er ist in seiner Übertreibung Allen sogleich fassbar, an einer Rathsperson den Leuten doppelt spasslich, und endlich sind die Ausbrüche der Erheiterung lange nicht dagewesen. Kurz man muss lachen, und der Zweck ist erreicht. No. 5. Chor und Ensemble. Froh schicken sich die Leute zum Hochzeitsfeste, was der Männerchor im muntern 6/8 schlicht ausspricht. Aber der Bürgermeister schreitet zu ausführlichen Staatsgeschäften, den rechten Peter ausfindig zu machen; die gravitätisch plumpe Einfalt, womit er dies anfängt, gibt zu allerlei schnell vorübergehenden, possierlichen Szenen Veranlassung, die von frischer Rhythmik der Musik gehoben werden, so dass es sich bis zum Ende in guter Laune erhält und sie ohne mühe mittheilt. Im Duett der Bürgermeisters mit Iwanow, der kein ganz reines gewissen hat, weil er von den Soldaten lief und hier seine Zuflucht suchte, wird die Inquisition lustig fortgesetzt; die Musik im Allgemeinen sich am nächsten an Auber’s Art schliessend. Die Situazionen werden immer durch die Albernheiten des bürgermeistes possierlich; er will herausgekriegt haben, dass Iwanow geheime Aufträge hat. – Im Finale ruft der Czaar die Menge auf, sich zum Feste zu schicken, da das Brautpaar nahe; Marie bittet ihn, dem Iwanow den Kopf zurecht zu setzen, der Händel mit einem Franzosen habe, welcher sie hübsch finde; der Kaiser stutzt über das Eintreffen eines solchen Mannes, und der Marquis wird vom edlen Anstande des vermeintlichen Zimmermanns auf ihn aufmerksam. Zierlich, wie ein französischer Tenor, singt und entschuldigt er sich und berichtet im Zwiegesang dem Czaar, dass die Russen eine Niederlage erlitten und der Kaiser rettungslos verloren sei; der Kaiser verräth sich. – Alles geht rasch vorwärts; dann dazwischen Volksfreude in kurzen Chören und im Sologesange; höhere und bürgerliche Interessen vermischen sich und lösen einander unterhaltend ab.
Der 2. Akt beginnt mit Festchören des Volks frisch und fröhlich, ohne alle Sucherei. Ein Lied des Franzosen zum Abschied vom flandrischen Mädchen geht schnell vorüber. Weit wirksamer ist No. 10, Sextett, vorzüglich im Einleitungsgesang ohne Instrumente. Der Czaar, der russische General und der Marquis sitzen zusammen auf der einen Seite, auf der andern der englische Gesandte, der Bürgermeister und Iwanow, welcher von dem Lord für den Kaiser gehalten wird, was van Bett am Ende auch glaubt. Natürlich gibt dies zu allerlei komischen Szenen Veranlassung. Im più mosso dieses Satzes (S.100), wo der Dreigesang der rechten und linken Partei gleichmäßig geschwätzig wird und im Wechsel in einander greift, kommt zwar Karakter und edle Haltung bedeutend in’s Gedränge, ja sie werden geradehin vernichtet, wie dies jetzt in seht vielen Opern seht angesehener Männer ganz gewöhnlich geschieht: aber eben das jetzt Herrschende dieses falschen Operneffekts wirkt hier in der komischen Oper, die sich dem Geltenden hingibt, wie Persiflage dieser Verwöhnung, was auch mit manchen zu weit getriebenen Ausdrücken in Worten und in Auber’schen harmonieschlägen, auch nicht selten in harmonischen Stimmführungen der Fall ist, so dass man hier darüber lächeln muß. Man sieht, welche Vorteile die komische Oper jetzt ihren Verfassern gewährt, selbst in Fällen, wo vielleicht nicht einmal das Komische, sondern nur das gewohnt Zusagende berücksichtigt wurde. Nach einem hübschen Brautliede Mariens, denn die ganze Verhandlung geht am Hochzeitsfeste in der Schenke vor sich, fällt das Finale No.12 ein. Dem Herrn Bürgermeister ist das Treiben der fremden verdächtig vorgekommen; er will untersuchen, fängt es plump mit dem Marquis an, der sich als Gesandter Frankreichs meldet; je mehr er in Verlegenheit kommt, desto weniger lässt er sich stören zum Behagen des versammelten Volkes, das ihn neckt. Hartnäckig besteht er endlich darauf, die beiden Peter einsperren zu lassen, die ihm nun Beide als Czaar bezeichnet werden. Das gibt heftige Auftritte, die lebhaft unterhalten.

Der 3. Akt zeigt den Herrn Bürgermeister ganz umgewandelt; er versammelt das Volk, um Veranstaltungen zum würdigen Empfange des Kaisers zu treffen, den er in Peter Iwanow sieht. Der Name ist freilich falsch skandiert; er heißt Iwanow, nicht Iwanow, eine Kleinigkeit, die im Munde des Bürgermeisters und des Volks einen Spaß mehr gibt. Er hat ein Lied gedichtet, vom Kantor komponiert, das er den Leuten vorsingt:

Der Fortgang besteht in Preisungen der schön fliessenden und korrekten Worte. Die Probe dieses Gesanges im Chor ist sehr ergötzlich. Besonders S. 140 hübsch gemacht, wo der Vorsänger die Melodie in d anhebt, die Soprane in es und darauf die Bässe in f einsetzen. – Nach einem Streite, wer gefehlt hat, wollen es die Sänger ohne Direktion versuchen; und da geht es gleich, worüber Alle in Freude sind und große Ehre hoffen. – Das Lied des Czaar ist in seinem tanzlichen 3/4 so gefällig und so sentimental zur Abwechslung, wie das in andern namhaften Opern unserer Zeitweise auch ist. Das Duett Mariens mit Iwanow (No.15.), der wider Willen den Kaiser spielen muss, wohinein er und Marie sich nicht außen können, ist sehr unterhaltend, besonders pikant durch das treffend rhythmisierte “wart nur!”. – Im Finale No. 16. Verkündet der Czaar den Seinen baldige Abreise, einen Pass vorzeigend, das Nahen der Menge, der Huldigung wegen, zum guten Fortkommen für dienlich haltend. Iwanow, der seinen Pass lieber selbst wieder in den Händen hätte, wird vom Czaar und seinen Freunden als Kaiser angesungen und dadurch in ängstlichen Verlegenheit gesetzt; Alles rasch vorwärts. Der Volksjubel hebt an in einfach zweckmäßige Sang, dem ein tanz mit Holzschuhen folgt, worauf der Bürgermeister eine Anrede singt, die den armen Iwanow noch mehr ängstigt. Während ihn Marie tröstet und Beide vom baldigen Glücke singen, lässt der Bürgermeister seinen Salm los; umsonst zischelt ihm ein herbei eilender Ratsdiener etwas in’s Ohr, er lässt sich nicht stören, bis Kanonenschüsse und lärm von außen (più mosso) den Sang unterbrechen und Peter Michaelow an der Spitze einer großen Mannschaft so eben auslaufen will. Das frappiert den Bürgermeister, er schreit “Rebellion!”, befiehlt, zu den Waffen zu greifen, was der Chor für Pflicht erklärt; Marie und Iwanow halten sich für betrogen; er öffnet die ihm übergebene Schrift und erstaunt, ausrufend (gesprochen): “Heilger Nikolaus! Was seh’ ich?” Da tritt der rechte Czaar durch die geöffneten Saaltüren nach dem Hafen zu unter sie, nimmt freundlichen Abschied von ihnen, zum Schlusse in die Melodie seines ersten Liedes einlenkend, das er als Zimmermann im Anfange der Oper sang. Der Chor stimmt dankbar ein: “Kann uns auch Dein Lied nicht mehr erfreuen, soll Dein Name doch uns Leitstern sein; über Land und Meer tön’ es hinaus, Heil dem Czaar und Segen seinem Haus!”.

Die Partitur dieser Oper ist rechtmäßiger Weise nur vom Komponisten selbst zu beziehen. Die Ouvertüre für das Orchester aber ist in derselben, oben genannten Verlagshandlung gedruckt worden und für 1 Thlr. 16 Gr. Zu haben.

Außerdem ist die Ouvertüre auch noch für 4 Hände, sehr leicht zu spielen, daselbst erschienen, Preis 16 Gr. Alle Nummern sind auch einzeln zu haben.

Fänden sich Dichter, die glückliche Texte komischer Opern lieferten, so erhielten wir zuverlässig auch bald glückliche Kompositionen derselben. An der Zeit ist es. Mögen nur viele teutsche Theater die hier geschilderte Oper in’s Leben bringen. Hat die erste dieses Komponisten auch in andern Städten gefallen, so wird es dieser wohl nicht am guten Erfolge fehlen, da sie zuverlässig noch routinierter ist, als die wohlaufgenommene erste.
G.W. Fink.


August. No 32; p.523

Figaro. Sammlung launiger und scherzhafter Gesänge mit Begleitung des Pianoforte. Herausgegeben von Albert Lortzing. Heft 1 u. 2. Leipzig, bei Jul. Wunder. Preis jedes Heftes 16 Gr.

Ein raschwechselndes Quodlibet von Lortzing; Lied aus Lumpaci-Vagabundus “Süße Erinnerung” und aus: Zu ebener Erde und ersten Stock: “Es trifft gar häufig sich in unserm Leben”; Duett aus der Operette: Der reisende Student; Lied aus der Oper: Die beiden Schützen – “Es kommt drauf an nur in der Welt, wie man sich dreht, wie man sich wendet” (zwischen jeder Strophe wird gesprochen) – Alle von Lortzing teils verfasst, teils zusammengestellt. “Das bleibt sich gleich,” Text von C. Herlossohn, Musik von F. Stegmeyer. Alles leicht, wie billig. Über solche Gaben ist nichts zu kritisieren. Einer liebt es so, ein Anderer wünscht es feiner, so wenig auch hier vom Plumpen die Rede ist. Wir hören aber, die beiden Hefte machen Glück, sagen also vielen zu.


Dezember No 51; p.858

Prag, Oktober und November. Endlich hat unsere Bühne wieder einmal im Laufe von drei Wochen zwei musikalische Neuigkeiten gebracht. “Die beiden Schützen” von Albert Lortzing, und: “Die Braut von Lammermoor” van Donizetti. Die Aufnahme der “beiden Schützen” war nur in einzelnen Teiles beifällig, wozu wohl freilich der Umstand viel beigetragen haben mag dass unser Publikum die Oper am Liebsten im Kostüme der Vorzeit oder eines fremden Landes sieht; eine Konversations- oder gar eine ländliche Oper erregt niemals ein so großes Interesse, und selbst unsere Sänger scheinen in Frack und Pantalons weit weniger zu Hause zu sein, als im Harnisch und spanischen Mantel. Das Sujet ist recht lebendig und hat einige gute komische Situationen, die Musik ist leicht und gefällig, und wenn sie durchaus nicht frei von Reminiszenzen ist, und zumal in mehreren Nummern an das “Elisir d’amore” erinnert, – wir sagen darum noch nicht an Donizetti, denn der Tonsetzer dieser Schützen kann ja aus der ersten Quelle geschöpft haben! – so hat diese Oper das mit fast allen neuen Kompositionen selbst im höheren und tragischen Genre gemein. Das Duett zwischen Karoline und Gustav (von Dem. Grosser und Herrn Emminger sehr brav gesungen) musste wiederholt werden, woran freilich der schmatzende Kuss, den Gustav den Lippen seiner Karoline aufdrückte, keinen kleinen Anteil hatte. Auch Herr Kunz sang die Partie des Wilhelm recht wacker, und Dem. Eschen schien als Suschen besser auf ihrem Platze zu stehen, als je zuvor. Die übrigen darin beschäftigten Mitglieder wirkten sorgsam und fleissig. Wir haben übrigens diese Oper erst einmal gesehen.
(…)


AMZ: 41 – 1839