AMZ: 45 – 1843

Januar. No. 2.

Feuilleton.
Am 31. Dezember 1842 wurde in Leipzig A. Lortzing’s, am 2. Januar 1843 in Dresden Rich. Wagner’s neueste Oper gegeben; jene heißt: Der Wildschütz oder die Stimme der Natur, diese: Der fliegende Holländer. Beide fanden Beifall.


Januar. No. 3.

Prag.
Seit meinem letzten Bericht hat unsere Bühne zwei Opernneuigkeiten gebracht, eine französische und eine deutsche, nämlich Auber’s “Krondiamanten” und Lortzing’s “Hans Sachs”, von welcher jedoch weder diese noch jene große Sensation machte.
(…)

Wenn uns Lortzing’s komische Oper “Hans Sachs” weit weniger ansprach als dessen “Zar und Zimmermann”, so wollen wir dies keinen Rückschritt des wackeren Operncompositeurs nennen, und wohl bedenken, dass ihm Herr Reger mit dem Texte bei weitem nicht so gut und dankbar vorgearbeitet habe, als er selbst. Wir sind übrigens zuvörderst der Meinung, dass, wenn man Schau- und Lustspiele in Opern verwandeln will, jene nicht so allgemein verbreitet sein müssen, wie Deinhardsteins “Hans Sachs”, in welchem falle der Dichter auf den Vorteil der Überraschung und Spannung der Aufmerksamkeit im Voraus Verzicht tut, und das Wie? am Publicum einen desto strengeren Richter findet, da das Was bereits bekannt ist. Ins besondere war die Umschmelzung des “Hans Sachs” in eine komische Oper sehr schwierig, da dessen Hauptmotiv eine gar ernste Seite hat. Herr Reger hat es sich so viel als möglich erleichtert, indem er die beiden Hauptpersonen fast noch ernster hält, als sie im Drama sind, und nur der Bürgermeister und Ratsherr noch mehr chargiert. Die Komik des Lehrburschen besteht meist in Schimpfnamen und jene seines Liebchens Kordula ist etwas plumper Natur. Dass der Kaiser Hans Sachs schon früher kennen lernt, ist wohl angelegt, und befördert die Klarheit der Übersicht, was in der Oper eine Hauptsache ist. Warum aber in eine Oper der Schuster und Ratsherren deklamieren müssen? ist nicht leicht abzusehen. Die Oper enthält mitunter hübsche Nummern, doch wenig Frappantes und manche Reminiszenzen zumal an “Zar und Zimmermann”. Was die Darstellung betrifft, so sangen Dem. Herrmann (Kunigunde) und die Herren Kunz (Hans Sachs) und Schütky (Eoban Hesse) ihre Partien mit großer Sorgfalt und genügten auch im Spiele. Bei dem braven Herrn Preisinger (Meister Steffen) kann nur von Letzerem die Rede sein. Herr Demmer (Görg) übertrieb über alle Massen. Dem. Köckert (Kordula) reichte zu der hübschen Kartenprophezeiungsarie mit ihrer Kunstfertigkeit nicht aus. Die Aufnahme war wenigstens lebhafter und freundlicher als jene der “Krondiamanten”.


Februar. No. 5.

Nachrichten.
Frankfurt: Musik im November und Dezember.
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Und mitten in diesem reichen bunten Garten der Töne schreitet unsere Oper wie eine gepanzerte, rosenbekränzte Riesin einher. Es gehörte schon ein guter Magen dazu, die Früchte nur alle anzubeißen, die Euterpe’s Füllhorn so reich ausgestreut hat. Und nun haben wir es noch mit der Hauptsache aller musikalischen Genüsse, der Oper zu tun. Und dass diese nicht müssig war, beweist folgendes Repertoire: Freischütz, Don Juan, Catharina Cornaro mit Herrn Brassin von Mannheim, die weiße Frau, Regimentstochter, wiederholt, Wasserträger, Favorite, Iphigenie in Aulis, Richard Löwenherz, wiederholt, Robert, Hugenotten, Nachtlager, Fidelio, Zar und Zimmermann, Concert am Hofe, Falschmünzer und Otello mit Herrn Klein von Breslau. (…)


Februar. No. 7.

Nachrichten.
Wiener Musikleben.
(…)
Die erste Novität der Wintersaison war: “Zar und Zimmermann”. Reich ist der Scherz auf der deutschen Opernbühne. Selbst die Italiener haben ihre Buffonaden den Rücken gekehrt, und nur die Franzosen, die jedoch im Grunde nie von Herzen lachen konnten, witzeln fortwährend gerne. Lortzing traf bei den Wienern in’s Schwarze. Man erfreut sich an den theatergewandten Situationen, an den heitern Charakteren, vor allem an der melodiösen, frischen, schön harmonisierten und instrumentierten Musik, die des Effektvollen, Pikanten Vieles enthält, ohne deshalb gesucht zu sein. Einem muntern, rotwangigen jungen ist sie zu vergleichen, der, wenn er auch zuweilen etwas französisch oder italienisch dreinplappert, dennoch nie aufhört, seine gute, deutsch – gemütliche Gesittung vorwalten zu lassen. Die Darstellung dieser Oper durch Dem. Lutzer und die Herren Schober, Erl, Langenhaan und Pfister ist eigentlich nur musikalischerseits zu loben. Das Spielen und die Prosa im muntern deutschen und französischen Singspiele macht den an lauter geschraubten Opernpathos gewöhnten Künstlern von heute viel zu schaffen. Durch die ewigen Jammer- und Not- Opern ist die Darstellung der Natur, die freilich im Abrisse des heitern Lebens mehr zum Durchbruch gelangen kann, in lauter Affektation und blasierten Heroismus aufgegangen; ihre heitern Charaktere sehen meistens aus, als ob sie eine lustige Maske angetan hätten, ohne die traurige auszuziehen. Unbestreitbar müssen die deutschen Operisten, zum Teil wohl auch gegen ihr Verschulden, hinter ihre Vorgänger von vergangenen Jahrzehnten zurücktreten. Ausnahmen hier wie überall. So z.B. die Lutzer, die als Marie bei anziehender Natürlichkeit auch eine hübsche Prosa entwickelt, ohne jedoch in den wirksamen Pointen die Brünning-Wohlbrück zu erreichen, welche dieselbe Partie im Josephstädter Theater mit Eclat gegeben hat. Ihre Einlagsarie im ersten Acte vom Kapellmeister Proch ein Cadeau aus Trillern und Läufen zusammengesetzt, für Freunde dieser Artikel, woll wenig bedeuten. Eingreifender in’s Ganze ist die von dem lieblichen Tenoristen Granfeld in eben jenem Theater gesungene einfache und ansprechende Cavatine, mit welcher sich auch Erl Beifall zu verschaffen weiß. Lortzing’s Oper ist stehend geworden, und auf dem Wege zu einer halben Volkstümlichkeit begriffen.


Mai. No. 22.

Nachrichten.
Frankfurt: Musik vom 14 März bis zum 14. Mai.
(…)
Die Opern und Gesangstücke, die ohne Gäste über unsere Bühne schritten, waren: Barbier, die neue Fanchon, Zar, Oberon, Fidelio (am Vorabend von Beethoven’s Todestag, mit einem sehr sinnigen Prolog von W. Wagner), die Regimentstochter, Aschenbrödel, Concert am Hofe, und die Wiederholung des Riquiqui, abermals sehr beifällig aufgenommen.


Juli. No. 29.

Rezension.
Der Wildschütz oder die Stimme der Natur; komische Oper in drei Akten; – Musik von A. Lortzing. – Vollständiger Klavier – Auszug von F.L. Schubert. Leipzig, bei Breitkopf u. Härtel. Preis 6 Thlr.

Lortzing hat sich so überraschend schnell einen so wohlklingenden, populären Namen, einen so heitern Ruf erworben, und zwar namentlich durch seine beiden komische Opern: Zar und Zimmermann und Die beiden Schützen*), dass sich fast unwillkürlich die Frage aufdrängt: Wodurch hat er so schnell und fast ohne Opposition auf das vielköpfige Ungeheuer, Publicum, gewirkt, und was ist wohl der eigentliche Nerv und reiz seines Wesens und jener beiden Werke? – Wir glauben es mit wenigen Worten sagen zu können: Gemütlichkeit und natürliche Heiterkeit charakterisieren vor Allem diese beiden mit allgemeiner, freudiger Zustimmung aufgenommenen Werke, und dass er dies überall willkommenen und doch so seltenen Gottesgaben mit so vieler Leichtigkeit, mit so einfache Mitteln, und so anspruchslos und unvorbereitet geltend machte, entschied sein Glück und seinen Beruf für die, fast verwaiste, deutsche komische Oper. Nicht das Unerhörte, Staunenerregende ist es, was seinen Werken Bahn macht, sondern etwas viel Freundlicheres, Dauernderes; jene gute, gesunde Laune, jene drollige Natürlichkeit, an der rechten Stelle durch einfach – wahres Gefühl veredelt – das öffnet ihm und seinen heitern Schöpfungen Bühnen, Ohren und Herzen.

Es erscheint etwas auffallend, dass von seinen Opern: Das Fischerstechen, Hans Sachs und Casanova in Vergleich zu den beiden oben genannten so wenig die Rede ist. – Referent lernte (durch den Klavierauszug) Hans Sachs kennen, und muß nach aufmerksamer Durchsicht gestehen, dass ihm dies Werk keineswegs schwächer erscheint, als die beiden vielgenannten Opern desselben Komponisten. Vielleicht hat die Darstellung, namentlich was Casanova betrifft, ihre Schwierigkeiten. Es steht aber zu hoffen, dass auch jene Werke durchdringen; an günstiger Stimmung für den Komponisten fehlt es wahrlich nicht. Anm. Des Ref.

Indem das deutsche Opernpublikum die Werke des deutschen Komponisten mit so freundlicher Gerechtigkeit aufnahm (es übt diese Gerechtigkeit nicht immer!), hat es sich zugleich stillschweigend von einem tiefgewurzelten Vorurteile losgesagt. Man war nämlich bisher fest überzeugt: aus einem bereits auf der Bühne heimischen rezitierenden Drama könne nun und nimmer ein guter Operntext gebildet werden. Der Bürgermeister von Saardam gilt langer Zeit als ein allgemein akkreditiertes, gutes Lustspiel, und dennoch ist es Lortzing gelungen, eine höchst wirksame Oper daraus zu schaffen. Auch die vorliegende Oper keimte aus dem Stoff eins allgemein bekannten, wenn auch moralisch oft angefeindeten Lustspieles des immer noch unersetzten Kotzebue, und dennoch prognostizieren wir auch dieser Oper einen glücklichen Erfolg, wenn gleich die musikalischen Elemente nicht so günstig und häufig aus dem Stoff hervorgehen, wie z.B. im Zar und Zimmermann. – Überlassen wir es getrost Andern, über die Zulässigkeit, Moralität und sonstige Bedenklichkeiten des Stoffes quaestionis zu debattieren: Lortzing wird immer die Wirkung und die Lacher auf seiner Seite haben; auch muss man gestehen, dass die Bearbeitung und Metamorphosierung Geschick und Bühnenkunde verrät. Freilich nimmt die Oper fast noch mehr das Schauspielertalent als die Gesangfähigkeit in Anspruch; – wird aber beiden Forderungen Genüge geleistet, so kann und wird die Wirkung nicht ausbleiben, was jetzt schon durch die bisher erfolgten Aufführungen dieser Oper erfreulich bestätigt wird, und “so hat auch uns nicht getäuscht die Stimme der Natur!”. Sollen wir indes diese unsere Vorrede mit einem recht aufrichtigen Wunsche schliessen, so möge ein freundliches Geschick dem werten Komponisten nunmehr einen recht frischen, heitern, ursprünglichen Stoff schenken, an dem er sein schönes Talent, seine ganze Eigentümlichkeit vollständig entfalten könne! –

Betrachten wir nun die einzelnen Teile des heitern Gebildes, woraus sich dann wie von selbst ein allgemeines Urteil ergeben wird.

Die Ouvertüre beginnt mit einem Moderato molto e maestoso (4/4, D dur), das vermöge seines ausgiebigen Thema’s einer viel umfassenderen Ausführung wert und fähig gewesen wäre, wenn der Komponist es nicht vorgezogen hätte, sich in Bezug auf Zweck und Stellung der Ouvertüre prägnanter Kürze zu befleißigen, was wir ganz recht und billig finden. Eine belebte Figur der Violinen leitet hierauf das leicht und anmutig gehaltene Allegro (6/8) ein, das recht geschickt und harmlos den Charakter der komischen Oper bezeichnet. Als der Satz nach der Dominante geführt ist, tritt im veränderten Rhythmus (2/4), aber ohne Veränderung der Bewegung der Mittelsatz ein, der trotz seiner Anspruchslosigkeit sich sehr gefällig und durch die veränderte Figur recht wirksam zeigt. Nachdem der 6/8-Rhythmus wieder aufgenommen ist, werden die einzelnen Ideen des Allegrosatzes, und zwar recht gewandt, durch einen ganzen Kreis von Modulationen geführt, und ungezwungen, in gutem Zusammenhänge, mit einander verwebt, wobei man mit ziemlicher Sicherheit die Wahl der Instrumentierung wahrnehmen kann, durch welche der Komponist dem Satze Farbe und Mannichfaltigkeit verlieh. Die ganze Auseinandersetzung bis zu dem Momente, wo während einer Fermate ein Schuss gehört wird (wahrscheinlich von der Bühne), ist recht wacker gearbeitet, und die imitatorische Behandlung steht dem Satze wohl, ohne ihn zu drücken und zu ernst zu gestalten. – Bald darauf kehrt nun (in der Tonika) der heitere Mittelsatz mit seinem veränderten Rhythmus zurück, der mit einer Fermate schließt und dann den Gedanken des ersten Allegro wieder aufnimmt. Hier hat uns das Abbrechen und Wiederaufnehmen, wie es nun eben geschieht, etwas gestört; ein unmittelbarer Übergang zur vorigen Bewegung wäre unstreitig dem Ganzen förderlicher gewesen. Mit erhöhter Lebendigkeit eilt nun die Ouvertüre dem Schlusse zu, der in seiner Stretta, durch nochmaliges Aufnehmen des gedrängten Rhythmus, eine recht freundliche und angenehm aufregende Wirkung macht.

Ein Contretanz, mit absichtlich antikem Zuschnitte (3/8, D moll), eröffnet die Szene. (Da wir wohl mit Recht annehmen, dass der wackere Komponist die antike Form nicht auf die Modulation der ersten Reprise nach A moll ausgedehnt wissen will, so wollen wir vermittelnd bemerken, dass das fis im siebenten Takte gis heißen muss.) Nun beginnt ein harmloser, aber belebter, fröhlicher Chor der Landleute (6/8, B dur), ganz ohne Prätension, zu leichter Ausführbarkeit hingestellt, wie es sein muss. – Die leise Erinnerung zu vermeiden, welche die ersten zwei Takte an den Eingangschor des Adamischen Postillons wecken könnten, wäre dem Komponisten, der gar nicht nötig hat, sich mit transrhenanischen Federn zu schmücken, gewiss ein Leichtes gewesen. Die Unterbrechungen durch Baculus und Gretchen sind drollig und drastisch, und geben gleich Kunde von dem etwas prekären Liebesglück des präsumtiven Paares.

Nach Wiederholung des hübschen Chores, der trotz seiner Leichtigkeit doch sehr wirksam gruppiert ist und zu nuanciertem Vortrage Gelegenheit bietet, kommt ein Gast auf den vernünftigen Einfall (der freilich in den modernen Opernintroduktionen fast stereotyp geworden ist), “ein fideles Lied mit Chor” vorzuschlagen. Herr Baculus, dem einige gut angebrachte Schmeicheleien das Herz bewegen, ist gleich bereit dazu, und – Herr Lortzing auch; denn hier ist er wirklich ganz in seinem eigentlichen Elemente. (Seine burleske Cantate im dritten Akte von Zar und Zimmermann halten wir, ohne Einschränkung, für ein wahres Meisterstück). Auch hier pulsiert und schäumt sogleich seine komische Ader.

Baculus wählt, ganz analog, das unerschöpfliche, ihm so nahe liegende ABC zum Grundstoff seines Liedes. Wohl gibt es schon mehrere, auch recht drollige und witzige Paraphrasen dieser Fundgrube aller geistigen Bildung; aber unser Baculus hat es doch verstanden, der Sache eine neue Seite abzugewinnen. Das Lied gestaltet sich ganz ungezwungen zu einer possierlichen Abhandlung über die Ehe, und wird, auch nur leidlich vorgetragen, überall große Heiterkeit erregen. Die zweite Strophe singt Gretchen, die dasselbe Thema aus ihrem Gesichtspunkte behandelt und vorzüglich mit ihrem, besonders günstig hingestellten: X,Y,Z u.s.w. Glück machen wird; nicht zu vergessen den Refrain des Chores mit seinem ironisch-drastischen W, W, W, und wie Prosit! Klingenden TZ! Kurz, es ist ein Lied, das allein schon geeignet ist, eine gute Stimmung im Parterre hervorzubringen. –

Ein Schreiben des Grafen an Baculus unterbricht die heitere Szene. Die Botschaft scheint nicht eben erfreulicher Art zu sein, doch zeigt er seinen Gästen eine heitere Miene, gibt dem empfangenen Wischer die Deutung einer gewünschten Schulreform, bittet die guten Leute, sich nicht stören zu lassen, und ladet sie zum fröhlichen Mahle in der Behausung des Nachbars ein. Sie folgen gern dem freundlichen Winke und gehen unter Wiederholung des ersten Chores ab.

Baculus und Gretchen bleiben zurück. Es folgt nun ein sehr ausführliches Duett. Gretchen soll zum Grafen auf’s Schloss gehen, um den Erzürnten zu begütigen. Kaum willigt sie aber ein, so ahnt er noch größeres Unheil von der Mission als von seinem unglücklichen Schuss. Sie schmollt, er bittet um Verzeihung wegen seines schlimmen Verdachtes; als aber der verhängnissvolle Gang auf’s Schloss wieder angeregt wird, verweigert er auf’s Neue hartnäckig seine Zustimmung. In gerechtem Unmut sagt sie ihm nun nicht eben erfreuliche Dinge, und verlässt ihn in großer Aufregung. Das ist der gedrängte Inhalt einer Kontroverse, aus welcher Lortzing mit vieler Geschicklichkeit und leichter Hand ein allerliebstes, ansprechendes komisches Duett geformt hat, das beiden Individualitäten vollkommen angemessen und der wirksamen Ausführung ungemein günstig ist. – Zwar würde es der hübschen Piece Vorteil gebracht haben, wenn der Komponist statt einiger gar zu gewöhnlichen, matten Formeln (namentlich in den dialogisierten Stellen) etwas pikantere, frischere gewählt hätte – als Ganzes aber verdient das heitere Stück nur Lob. – Es ist namentlich in recht gutem Zusammenhang gehalten, und der wechselnde Rhythmus (2/4 und 3/4) bewahrt es bei seiner Ausdehnung vor Monotonie. Es wäre leicht, viele glückliche Einzelheiten hervorzuheben; wir willen indes nur als besonders wirksam die salbungsvolle Stelle bezeichnen, wo Baculus in einem gar rührenden Cantabile Gretchen zu Gemüte führt, welchen wohltätigen Einfluss er schon auf ihre früheste Jugend ausgeübt, und mit welcher nachhaltigen Sanftmut er ihr, der schwer kapierenden, das ABC eingezankt (ist wohl ein Druckfehler und muss drastischer heißen: eingepaukt) habe! – Seine Rührung schwillt mehr und mehr an, und überwältigt ihn fast; endlich als ihm die klassischen Worte auf die Lippen kommen: “Denkst du daran?” verwandelt oder verliert sich Melodie und Rhythmus unwillkürlich in die emphatische Schlusszeile des durch den “alten Feldherrn” und auch sonst berühmt gewordenen Liedes: Denkst du daran? U.s.w. Die Wirkung diese köstliches, unerwartet hereinbrechenden Einfalls muss von der Bühne herab wirklich unwiderstehlich sein!

Mit No. 3, einem heitern, liedförmigen Ariettchen, tritt die lebensfrohe Baronin (und zwar in Männerkleidung auf, und preist, da ihre Ehe nicht eben zu den glücklichen gehörte, mit Wärme den Witwenstand, lässt aber zugleich ahnen, dass sie nicht unerbittlich sei werde lässt aber zugleich ahnen, dass sie nicht unerbittlich sein werde, wenn etwa – der Rechte kommen sollte! –

Das gefällige Thema dieses leichtbeschwingten Glaubensbekenntnisses lernten wir schon als heitern Mittelsatz in der Ouvertüre kennen: in seinem Verlaufe mit hübschen Episoden ausgestattet, wirkt sein Wiederkehr immer erfreulich. – Da, wo die junge Witwe sich das Bild einer glücklichen Ehe malt, wird der Gesang viel inniger, die Harmonie edler und wärmer, wodurch das kleine Stück an Reiz und Mannigfaltigkeit gewinnt, und die letzte Wiederkehr des ersten Thema’s doppelt wirksam erscheint. –

Leicht und mit einer gewissen Eleganz vorgetragen (die Ausführung bietet durchaus keine Schwierigkeit dar), wird diese fröhlich dahin fliessende Arie eben so am Pianoforte, wie auf der Bühne, zumal in der kecken Maske Glück machen.

Es folgt nun (No. 4) ein Quartett zwischen der Baronin, Nanette (dem Kammermädchen), Gretchen und Baculus. – Es handelt sich darin um eine neue Verkleidung der Baronin, die sich erbietet, als Pseudo-Gretchen bei dem gestrengen Herrn Grafen ein gutes Wort für den dilettierenden Wildschützen Baculus einzulegen.

Das muntere Stück, wie recht und billig, mehr im leichten Parlando gehalten, bringt nicht eben neue Ideen und Wendungen, würde sogar hier und da durch einige musikalische Pointen gewonnen haben; aber es entwickelt sich so rasch und natürlich, dass man einen etwas gesteigerten Aufschwung nicht eben sehr vermisst. – Eine kleine Bemerkung möchte indes hier nicht überflüssig sein. Herr Lortzing zeichnet sich in seinen Kompositionen unleugbar durch sein Bestreben, oder vielmehr durch seine Gabe, natürlich zu sein und leicht zu produzieren, sehr vorteilhaft aus; wir möchten ihn aber bitten, diesen verführerischen Eigenschaften nicht allzusehr zu vertrauen, sondern zuweilen, mitten in den glücklichen Schöpfungsmomenten, die Feder niederzulegen, um durch prüfendes Beschauen des Geschaffenen sich vor jener Selbstgenügsamkeit, jenem “Sich-gehen-lassen” zu bewahren; Beides ist eben so bedenklich, wie jene quälende Selbstkrittelei, die bei jedem Takt fragt: Bin ich hier auch originell? Wird man dies auch geistreich finden? Wird es Eindruck machen? – Rasch hingeworfen, wie es der Genius gebietet, und dann mit sinnender Ruhe überschaut – so gedeiht das Werk! Wenn wir nun auch Einzelnen in diesem Quartett unsere volle Zustimmung versagen müssen, so gestehen wir dafür um so freudiger, dass uns das ganze, als solches, wegen seines guten Zusammenhanges und seines verständigen Planes sehr befriedigt hat. Ja, wir glauben, gerade in diesem Stück (wie auch in mehreren der folgenden mehrstimmigen Sätze) einen bedeutenden Fortschritt des talentvollen Komponisten in der Formation des Ensemble zu erkennen. Namentlich hebt sich die (am Schluss wiedekehrende) Stelle:

“Mut gefasst! Hoffentlich glückt der Spaß!”

durch Nettigkeit und Anmut sehr günstig hervor; jede Stimme verfolgt dabei ihren eigenen Weg, bis ihre Vereinigung am Schlusse natürlich und wünschenswert erscheint.

No.5. Nach einer ziemlich ausführlichen Orchestereinleitung (deren Wirkung vorzüglich aus der Instrumentierung sich ergeben dürfte) folgt ein heiterer, frischer Jagdchor, der ziemlich glücklich die Scylla der stereotypen, alltäglichen Jagdklänge, wie die Charybdis des Situationswidrigen und Gesuchten vermeidet. – Die beiden darin mitwirkenden Stimmen des Barons und des grafen treten in der zweiten Hälfte dieses Gesanges besonders vorteilhaft und selbständig hervor, ohne die liedförmige Einfachheit des Ganzen zu stören. Dem Referenten wollte es scheinen, als verlange das rhythmische Gefühl die Wiederholung der zwei Schlusstakte des: “Trara!” – so, dass diese zwei Takte das erste Mal piano, das zweite Mal, vielleicht mit einer Steigerung der Melodie, fortissimo ausgeführt würden.
(Beschluss folgt.)


Juli. No. 30.

Rezension.
Der Wildschütz oder die Stimme der Natur; komische Oper in drei Akten; – Musik von A. Lortzing.
(Beschluss)

Das erste Finale, No. 6, beginnt mit einem Chor der Landleute, die mit lautem Danke für den Festgeber sich nach Haus begeben wollen. Der Eintritt des Grafen und des Barons hält sie zurück. – Gretchen scheint die beiden Cavaliere rasch zu interessieren; selbst der Baron vergisst seinen “Weltschmerz” bei ihrem Anblick, und die Eifersucht des Schulmonarchen erscheint ganz motiviert. Diese verschiedenen Situationen und Regungen sind nun vom Komponisten recht geschickt und ansprechend gehalten. Referent hat in diesen Blättern, bei Beurteilung einer französischen komischen Oper, die Eigentümlichkeit der französischen Opernkomponisten hervorgehoben, die Fortführung solcher dialogisierter Szenen vorzugsweise dem Orchester zu übertragen und die handelnden Personen fast durchgängig in melodielosem Parlando zu halten, welche Methode namentlich für das leichte Verständnis gewiss Manches für sich hat. Hier nun zeigt sich wieder die deutsche Gewissenhaftigkeit, indem unser Komponist zwar nicht versäumt, den Faden der fortzuführenden Handlung im Orchester anzuknüpfen, aber dabei doch nicht vergisst, die handelnden singenden Personen auch melodisch zu bedenken, was ihm auch recht gut gelingt; nur zuweilen wünscht man auch in diesen Szenen den Gedanken etwas mehr Frische und Bedeutsamkeit; besonders macht es sich der Komponist mit den Schlussformeln oft gar zu leicht. –

Sehr gut motiviert und vorzüglich rhythmisch wirksam behandelt ist das Ensemble: Allegro molto vivace, 4/4, G dur, wo sich Solostimmen und Chor Pianissimo im Unisono meditierend über die Situation aussprechen, wozu denn der volle und kräftig hingestellte C dur – Akkord einen um so wirksameren und wahrhaft dramatischen Gegensatz bildet. Hier ist die anspruchslose Natürlichkeit, das Vertrauen auf die Wirkung einfacher Mittel ganz am rechten Platz; auch muss es als ein guter Motiv des reflektierenden Unisono aus dem Anfange dieses Satzes nochmals in einzelnen Stimmen hervortreten lässt, während die übrigen schon den Schluss vorbereiten.

Mit dem neuen Tempo (un poco moderato) und der veränderten Tonart (Es dur) tritt die nun als Gretchen verkleidete Baronin auf. Ihr Erscheinen setzt sogleich die reizbaren Herren in Flammen, und die musikalische Kundgebung dieses schnellen Eindrucks ist dem Komponisten vortrefflich gelungen, bis auf die wieder gar zu zahme Schlussformel:

Die Frage der beiden Herren: “Mädchen, sprich, bist du vom Lande?” beantwortet die Baronin mit einem wunderhübschen, gemütlichen Liede, das den Reiz des Landlebens in ansprechenden Zügen schildert. – Die belebte Figur in der Begleitung zur zweiten Strophe hebt diese besonders günstig hervor. Wenn am Schlusse dieser Strophe, durch das Hinzutreten des Barons, dem sich Gretchen, der Graf und Baculus anschließen, vielleicht der Baronin der Applaus für den Vortrag des gefälligen, dankbaren Liedes geschmälert werden sollte, so mag sie das immerhin beklagen; wir, im Interesse der Kunst, freuen uns aufrichtig, dass der werte Komponist dem Liede durch einen so gelungenen Ensemblezusatz einen so gar lieben und gewinnenden Schluss gegeben hat. Er entwickelt sich ganz ungesucht und kunstgerecht aus dem Liede selbst und mit Berücksichtigung der verschiedene Individualitäten, und das ganze Finale erhält durch dieses Moment einen wohltuenden Ruhepunkt, eine gewisse Bedeutung, die durch den Zutritt des Chores noch erhöht wird. Gegen die harmonische Einführung desselben möchten wir indes, mit Erlaubniss des trefflichen Komponisten, protestieren! Die Solostimmen kadenzieren nämlich förmlich nach Es dur, so dass der Dreiklang dieses Akkordes auf das erste Viertel des Schlusstaktes fällt, und zwar mit oben liegender Terz; nun tritt der Chor, schon mit dem zweiten Viertel desselben Taktes, ohne Weiteres mit dem harten Dreiklang von H, mit oben liegender Quinte ein, was, abgesehen von der Schwierigkeit der Intonation, trotz des vorgeschriebenen Pianissimo, doch immer als Härte erscheinen wird. – Diese Bedenklichkeiten wären ungemein leicht, und wahrscheinlich zu erhöhter Wirkung des Satzes, zu heben gewesen, hätte es dem lieben Maestro nur gefallen wollen, die Solostimmen das erste Mal nach Es moll, und bei der Wiederholung durch einen Trugschluss nach Ces dur zu leiten, wo dann durch die enharmonische Verwechslung die Harmonie die schönste Glätte und Frische erhalten haben würde. – Diese an sich nicht erhebliche Ausstellung abgerechnet, rufen wir dem anmutigen Satze nochmals ein lebhaftes Bravo! nach.

Es würde zu weit führen, wollten wir den ganzen Verlauf dieses Finale in so ausführlicher Weise besprechen, wie es uns bisher passend und bezeichnend erschien. Es sei daher nur noch des gefälligen Motivs (A dur, 6/8) erwähnt, mit welchem der Graf die Landleute zu seinem morgenden Geburtsfeste einladet, welchen ansprechenden Gedanken sodann der Chor in der Unterdominante mit fröhlicher Zustimmung wiederholt. Auch dem darauf folgenden Mosso, 2/4, fehlt es nicht an Frische und Lebendigkeit; die harmonische Steigerung am Schlusse würden wir unbedingt rühmen müssen, wenn der Komponist in dem Quartsextenakkorde statt der großen Sexte die kleine gewählt hätte. Die Modulation wäre dadurch viel weicher und fliessender geworden, indem dann die betreffenden Singstimmen ungestört ihr e auszuhalten hätten und nicht, wie es nun notwendig wird, unmittelbar nach einander: e, eis, e, intonieren müssten. – Auf diesen an sich schon lebhaft wirkenden Satz, der einen vollständigen Schluss gebildet haben würde, folgt noch eine kräftig potenzierte Stretta, in welcher Chor- und Solostimmen zu selbständiger, wie vereinter Wirkung gruppiert sind, und welche dem ganzen Finale den Stempel des Gelungenen aufdrückt.

Der zweite Akt beginnt mit einer kurzen Einleitung, deren Ideen auf theatralische Momente des Werkes hindeuten. Es folgt eine rasch vorübergehende Szene (Pancratius und Chor). Sie wirkt eben so durch ihre prägnante Kürze, wie durch die aus ihr hervortretende unbewusste Ironie (die Singenden preisen das Vorlesertalent der Gräfin), was besonders durch den drolligen Schluss: “Schade!” recht treffend bezeichnet wird. –

No.8. Duett und Arie. – Schon die Situation ist recht pikant: Der Baron, seiner mit Sophokleomanie behafteten Schwester gegenüber, die er forcierter Huldigung mystifiziert. Dazwischen das uns schon lieb gewordene, sanft von außen herein klingende Lied der Baronin: “Auf dem Lande will ich bleiben,” – kurz, eine wahrhaft dramatische Situation, von dem Komponisten trefflich aufgefasst. – Die ironisch – leidenschaftliche Apostrophe des Barons ist eben so gut gedacht, als das unwillkürliche Ausströmen seiner wahren Empfindung, wo er sich und seine Rolle auf Augenblicke vergisst, sie dann flüchtig wieder aufnimmt, um nach einem neuen, von außen herein klingenden Fragmente des anziehenden Liedes wieder in leidenschaftlicher Freude aufzujubeln. Die zuletzt so eng zusammengedrängte Doppelrolle, mit dem geschickt verwebten: “Ach, ach!” – muss einem guten Sänger und gewandten Darsteller eine willkommene, dankbare Aufgabe sein! –

No.9. Quintett. Der Ausdehnung nach eine der größten Nummern der Oper, und was zunächst Stil und Haltung betrifft, wohl auch unbedenklich eine der besten. Hier bestätigt es sich noch mehr, dass der talentbegabte Komponist an Stetigkeit des Stils und Bewältigung des Ensemblesatzes seit der Komposition von Zar und Zimmermann bedeutend und erfreulich fortgeschritten sei. – Dass die erste Abteilung dieses Satzes, wo er als Terzett erscheint (Allegro vivace, 3/4), weniger den Gedanken nach, als in Bezug auf Stil und Fortführung, leise an Boieldieu, namentlich an das musterhafte Terzett des zweiten Aktes der weißen Dame erinnert, soll und wird dem Verdienste des wackeren Lortzing nicht Eintrag tun. Wollten nur manche andere, zum Teil hochgepriesene Opernkomponisten die Trefflichkeit des Boieldieu’schen Opernstils, und vor Allem seine Klarheit nd Charakteristik erkennen und nachahmen, die eben so weit entfernt ist von flacher Leerheit als von hohlem Lärm! – Aber freilich gehören zu einem klaren, edlen Stil auch edle, wahre und sinnvolle Gedanken, und manches dämmernde und brausende Opernensemble würde in leeres Nichts zerstieben, wollte man dasselbe seiner blendenden Beiwerke entkleiden. –

Mit dem Eintritt des Barons, und später des Pseudo – Gretchens gewinnt Handlung und Musik ein noch bewegteres Leben. Namentlich ist die mit Mosso bezeichnete Stelle (Seite 101 des Clav.-Ausz.) Recht glücklich erfunden und mit vielen hübschen Zügen ausgestattet. – Einen Lobspruch verdient Herr Lortzing überhaupt und fast durchgängig: er wird nie langweilig, und weiß zur rechten Zeit zu enden, und Referent ist überzeugt, dass der tödliche Rotstift der Opernregie gerade in seinen Opern die wenigsten Opfer fordert. – Nachdem nun nach vergeblichem Sträuben der Baronin der unvermeidliche Beglaubigungskuss vorüber ist, wobei die darauf folgende Exklamation des Orchesters wohl weniger den Wonneschauer des Empfängers als den Widerwillen der Geberin bezeichnen soll, beginnt die oben erwähnte Cabaletta wieder, und zwar diesmal Forte und im Unisono, und schließt nach einer zweckmäßigen Steigerung kurz und bündig.

Es folgt nun unter No. 10 ein Duett zwischen der Baronin und dem Baron, der unter schon schwankendem Widerstreben der Baronin Alles aufbietet, um ihre Liebe und selbst ihre Hand zu gewinnen.

Es will dem Referenten scheinen, als habe dem Komponisten im Eingang dieses Duettes die gewohnte Leichtigkeit, der milde Fluss der Gedanken nicht gleich zu Gebote gestanden. Es kommen wohl auch einige gar zu unschuldige, auf einer andern Flur gekeimte Ideen darin vor, wie z.B. bei den Worten: “Der Herr ist gar zu vornehm mir”. – Auch hätte die an sich gute und die Leidenschaftlichkeit des dringenden Liebhabers treffend bezeichnende Harmonie durch das Vorhergehende besser motiviert erscheinen müssen. So aber widerstrebt der harte Dreiklang von Fis nach dem unmittelbar vorhergehenden G moll dem Gefühl, und es mildert die Härte der Harmoniefolge kaum, dass der Komponist den Gesang ohne Begleitung eintreten lässt. Mit dem “un poco più mosso”, wo beide Stimmen sich vereinigen, geht ein viel frischeres Leben und eine eigentümliche Regung durch das ganze; nicht allein ist die Duettform recht günstig festgehalten, sondern es haben auch die Ideen und ihre Verbindung jenes Gefällige, Wahre, was für die glückliche Konzeption des Ganzen spricht, und was hier, nach einer vorhergegangenen Entbehrung um so erfrischender wirkt. Nun: Quandoquidem bonus dormitat Lortzingus. – Der Wiederkehr diese belobten a due (nach einem musikalischen Dialog, der indes hier schon viel pikanter wiedergegeben ist), dem wir übrigens gern nochmals begegnen, dürfte ein etwas gesteigerter und erweiterter Schluss eben so günstig, als den Sängern wünschenswert sein. –

No. 11. Quintett; – Billardszene. So wie das Verdienst, eine Versteigerung zuerst (und wie so trefflich!) in Musik gesetzt zu haben, wohl unbestritten Boieldieu zugesprochen werden muss, so dürfte auch unser wackerer Lortzing sich den Ruhm erworben haben, zuerst eine Billardpartie dramatisch – musikalisch dargestellt zu haben; denn eine solche bildet wirklich die Unterlage und den Stoff dieses Quintetts, das sicher von der besten Wirkung sein wird, wenn es recht präzis ausgeführt wird; aber dazu gehört in Bezug auf die sehr komplizierte auf rasche Momente angewiesene theatralische Handlung sehr viel. Es ist daher dem bühnenkundigen Komponisten sehr zum Lobe anzurechnen, dass er die schwierige Situation musikalisch so leicht aufgefasst und daher auch so leicht fasslich gemacht hat. –

Stoff und Plan der ganzen Handlung sind so klar und günstig dargelegt, der drastisch – wirkende Baculus mit seinem imponierenden cantus firmus: Wach’ auf, mein Herz, und singe! ist eine so köstliche Theaterfigur, dass der Effekt sich wie von selbst ergibt, wenn sich nur Alles leicht und gewandt neben einander bewegt. Mit recht hat der Komponist den leitenden Faden Anfangs dem Orchester gegeben, und die Singstimmen, da zunächst Alles auf klare Verständlichkeit ankommt, nur im Parlando gehalten. Die früher schon ausgesprochene Bemerkung, dass der Komponist in seinen Schlussformeln zuweilen sich zu sehr gehen lasse, sei hier nur deswegen wiederholt, um die vorhergehende zu bestätigen; hier gilt sie zunächst der Stelle: – “sei mein Streben, sei mein Plan!”.

Der unerwartete Einsatz des mehr schlaflustigen, als gesangfreudigen Baculus wirkt von der Bühne herab gewiss kolossal. (Sollte wohl den Dualis des Dichters und Komponisten bei der Einführung des Chorals nicht eine satirisch-parodierende Regung geleitet haben? Es wollte Referenten wirklich so scheinen, und er dürfte wohl Ideengenossen finden: jedenfalls sei es fern von ihm, dem lieben Satyr darob zu zürnen!) – Im Verlaufe des Quintetts tritt, neben manchen andern gelungenen Einzelheiten, besonders freundlich die Stelle hervor, wo der Baron die Abwesenheit des Grafen benutzt, um der vermeinten Schulmeisterbraut emphatisch seine heiße Liebe zu versichern, und noch mehr der Moment, wo Baculus in veränderter Tonart seinen Choral als Basis zu dem Gesang der Übrigen erdröhnen lässt. – Auch der Graf, der den Baron mit List zu entfernen wusste, will die Gunst des Augenblicks benutzen, und strömt sein Gefühl in einer kurzen, heißen Apostrophe aus, indem er dazu, in passender Tonart, das Motiv des Barons benutzt. – Recht gut ist auch die Zurückführung der Harmonie bei den Worten: “Einer führt den Andern an!” – Nun werden die Herren etwas hitzig. Mit dem Verlöschen der Lampe, durch die Musik gut bezeichnet, entsteht eine große Verwirrung, die durch einen Kommentar des Orchesters begleitet und bezeichnet wird. Wenn die im (beigefügten) Libretto genau beschriebene, sehr komplizierte Szene genau und glücklich ausgeführt wird, was indes keine leichte Aufgabe ist, so muss sie einen höchst komischen Eindruck machen. – Es folgt nun ein ziemlich ausführliches Ensemble, das der Komponist bloß mit Con moto bezeichnet. Wir raten aber, da die Handlung nunmehr zum Stilstand gekommen ist, und bei solchen reflektierenden Momenten sich sehr leicht nachteilige Longuers gestalten, das Tempo sehr belebt zu nehmen, wo sich dann das Ganze sehr ergötzlich erweisen wird, zumal da der Komponist schon durch Mannigfaltigkeit der Form, wie durch eine sehr animierte Orchesterbegleitung dem ganzen leichte Schwingen gab. Die etwas absonderliche Form des Mosso am Schlusse zu den Worten: “Darum müssen beide ohne Säumen” mit ihrem, durch die Generalpause ergänzten Rhythmus mag sich selbst verteidigen; eigentümlich wirkt sie gewiss. – Durch das “gute Nacht!” vermeidet der Komponist glücklich die Klippe eines gewöhnlichen Schlusses, und er darf sich in Summa überzeugt halten, ein recht wackeres Ensemblestück geschaffen zu haben.

Hätten wir auch nicht bereits durch die Fama vernommen, dass die nun folgende Buffoarie No. 12 ihrem Reproduzenten auf der Leipziger Bühne großen Beifall gebracht habe, wir würden sie doch unbedingt als ein höchst gelungenes Charakterstück bezeichnen. – Der Baron, in seiner unbezähmbaren Leidenschaft, bietet dem sauberen Baculus die Summe von 5000 Thalern für die Abtretung seiner (vermeintlichen) Braut, und diese 5000 Thaler begeistern ihn nur zu einem Ausbruch ungemessener Freude, die sich in diesem Jubelliede Luft macht. Das komische Pathos ist hier ungemein glücklich geschildert. Der Dichter hat dem Komponisten (wahrscheinlich sind sie sehr intim!) so vortrefflich vorgearbeitet, und dieser die dankbare Aufgabe so vollständig gelöst, dass jeder auch nur erträgliche Komiker sich mit diesem Triumphgesang einen glänzenden Sukzeß sichern muss. Da man dem vom Sonnenstich des Glückes getroffenen Baculus Alles verzeiht, so wird selbst die drollige Gewalttätigkeit, mit der er “seines Glückes Statatatatatum” behandelt, die allgemeinste Approbation finden. – Der Mittelsatz dieser Arie (molto moderato, As dur), in welchem er, in eigner Überschätzung, über die Möglichkeit reflektiert, Gretchen könne aus zu großer Zärtlichkeit für ihn seinen Entsagungsplan vernichten, schildert wirklich trefflich diese besorgliche Meditation, und nachdem er in seiner Herzensangst sich sogar an das Publikum mit der Frage gewendet, was in sotanem Falle zu tun sei, bricht er (im Allegro deciso, F dur), nach einem hohnlachenden Unisonotriller des Orchesters, in die resoluten Worte aus: “Kann Alles nichts helfen, ich schlage sie los!” wobei der überstürzende Triolenrhythmus ihm trefflich zu Statten kommt. – Auch bei der Erwägung der Pläne, was wohl mit der ungeheuren Summe zu beginnen sei? Wird der Charakter der Buffoarie konsequent festgehalten. Der Zauberklang: “5000 Thaler!” durchdringt ihn nun auf’s Neue mächtig und begeisternd. Höchst bezeichnend dargestellt durch die Musik ist die Steigerung der Adjektive zu diesem Zauberworte bis zu dem Kulminationspunkt: “famös!”. – Die nun folgende gedrängte und burleske Reimflut rauscht fast betäubend vorüber, und mit den komisch – erhabenen Worten: “Beschlossen ist’s im Weltenplan: Ich werd’ ein hochberühmter Mann!” geht der freudetrunkene Sänger (nach Vorschrift) rasch und aufgeblasen ab, gewiss aber nur, um vom Publikum jubelnd wider hervorgerufen zu werden, wofür er sich dann bei Herrn Lortzing geziemend bedanken mag! – Ein höchst günstiger Aktschluss ist jedenfalls das Resultat dieser trefflichen komischen Szene.

Die Partie des Grafen würde hinsichtlich des Gesanges wirklich zu unbedeutend erscheinen, wäre sie nicht durch eine brillante Arie bereichert worden, und so ist es ganz in der Ordnung, dass der einzige Moment, wo sie plaziert werden konnte (der Anfang des dritten Aktes), dazu benutzt wurde. Es beginnt nun dieser dritte Akt mit einer ziemlich imposanten Einleitung (das Motiv ist dasselbe, was den Anfang der Ouvertüre bildet – es lebe die Gedankenökonomie!); worauf nach einem kurzen Rezitativ, dessen Inhalt etwas nüchtern erscheint, eine recht dankbare Aria alla Polacca folgt, die sich ein guter Bariton leicht und glücklich aneignen wird. Sie atmet, wie ihr Wortlaut, nur Heiterkeit und Lebenslust, und hat in ihrem Gefolge gar manche freundliche Wendungen und Episoden. Die gar zu dissonierenden Vorhalte bei der Stelle:

Kommt auf meinen Wegen
Mir etwas entgegen
Was die Freude stört –

haben wirklich für den Referenten und wohl auch für Andere etwas , das die Freude stört, und in diesem Sinne hat doch wohl der wohllautliebende Lortzing die Gedanken kommentieren wollen. Die leichte Wunde heilt indes bald wieder, und auf recht sprechende, anmutige Weise wird das erste Thema wieder eingeführt. In Bezug auf den nun folgenden, an sich recht gemütlichen Mittelsatz: “Hübsche Mädchen, hübsche Frauen” will Referent hier eine, vielleicht nicht ganz überflüssige Bemerkung einschalten: Herr Lortzing liebt es offenbar, den eigentlichen Liederstil in seinen dramatischen Kompositionen anzuwenden, und es ist dies vielleicht ein Grund, weshalb sie so rasch populär geworden sind. Geschieht dies nur vorübergehend, und nur episodisch, und nimmt dieser Stil an einer Stelle nicht zu viel Raum ein, so wollen wir ihn in der heitern Oper zuweilen gern begrüßen. Wird er aber zu häufig, und namentlich strophenartig angewandt, so dass der ganze Gliederbau etwas Enges und Monotones erhält, so wird sich das Gefühl bald nach einer Erweiterung der Form, nach einem umfassenderen Gedanken sehnen, als die abgeschlossenen Grenzen eines Liedes sie bedingen. Ist es nun nicht vielleicht individuelle Ansicht des Referenten, so möchte er behaupten dass der in Rede stehende Mittelsatz, dem es übrigens durchaus nicht an Anmut fehlt, allzusehr die Beschränktheit der Liedform und jene Gleichheit des rhythmischen Baues an sich trage, während doch das Gedicht fast unwillkürlich zu einer mehr hervortretenden, ausgebildeteren Cantilene, und also zu einem verlängerten und abwechselnden Rhythmus aufzufordern scheint. Es dürfte hier zugleich nicht unpassend erschienen, daran zu erinnern, wie unvergleichbar größer die Mannigfaltigkeit der musikalischen Rhythmen, dem Rhythmus der Verse gegenüber, sei! Bleiben wir bei der sechszeiligen Strophe stehen, die uns zu dieser Exkursion veranlasste; sie heißt:

Hübsche Mädchen, hübsche Frauen,
Kann ich Euch nur immer schauen!
Holde Sterne meines Lebens,
Ihr ruft nie, nein, nie vergebens!
Doch durch Liebe nicht allein
Zieht die Freude bei mir ein!

Unser Komponist hat nun sämtlichen Verszeilen diesen Rhythmus gegeben:

im Gegensatz zu dieser metrischen Behandlung versuche man nun, welcher ungemeinen Vielgestaltigkeit diese Zeilen fähig sind, welch’ einen wohltuende Abwechslung und Erweiterung der Melodie sich eröffnet, wenn man sich nicht von der ersten rhythmischen Anschauung gewissermaßen beschränken und einengen lässt. – Wir sind übrigens weit entfernt, diese kleine Deduktion nur unserm werten Verfasser und nur in Bezug auf die obige Stelle niedergeschrieben zu haben: wir benutzen diese nur als Veranlassung, hatten aber dabei gar manche andere Individualität, so wie überhaupt das künstlerische Prinzip im Auge, das wir vielleicht bald in einer selbständigen Abhandlung über den musikalischen Stil überhaupt ausführlich zu besprechen gedenken.

Kehren wir nun auch dieser gelegentlichen Abschweifung mit guter Laune zu unserm lebensfrohen Grafen zurück, der seine Arie ebenfalls mit fröhlichem Humor, und, wenn sein Repräsentant ein guter Sänger ist, eo ipso mit Beifall schließt.

Es folgt nun ein sehr anmutige Frauenchor nebst einer improvisierten Tanzszene (No. 14), mit so hübschen Walzermotiven ausgestattet, dass sie Strauß und sel. Lanner’s Nachfolger gewiss gern akzeptiert hätten, wären sie ihnen zuerst aufgegangen.

No. 15. Terzett; Enttäuschung des mystifizierten Barons und Erklärung des fatalen Missverständnisses. Ein nicht eben durch Gedankenfrische hervorstechendes, aber recht gut geschriebenes Musikstück, das vorzüglich da, wo es als Ensemble erscheint, trefflich gehalten ist; namentlich gebührt der geschickten Fortführung, dem guten Zusammenhang alles Lob. – Die wiederkehrende Ausweichung in diesem Ensemble nach G dur (die Haupttonart des Musikstückes ist G moll) bewahrt das Ganze vor Schwerfälligkeit und jener Ernsthaftigkeit, die der Unmut des Barons leicht dem ganzen mitteilen könnte. Der drollige und ungesuchte nahe Zusammenstoß der drei Reime: Gut, Mut, Blut! wird seine Wirkung nicht verfehlen.

So sind wir denn an das letzte Finale (No. 16) gekommen, in welchen alle Täuschung aufhört und der Knoten sich löst. – Man weiß schon, dass bei solchen Erklärungen und Auseinandersetzungen nur die allernotwendigsten Worte, nur die unentbehrlichsten Töne sich geltend machen können, will man das Publikum nicht ungeduldig machen. Kurz und bündig, das ist das Rechte, und so geht es auch hier mit raschen Schritten der Entwickelung zu. Der ironische Anklang und Widerhall der “Stimme der Natur” wird wohl überall Heiterkeit erregen, wenn sie in der rechten Weise betont wird. (Eine kleine musikalische Pointe wäre diesem vielsinnigen Refrain vielleicht noch förderlicher gewesen; so ist es mehr dem individuellen Ausdruck überlassen.) – Bei der feurigen Apostrophe der gräzisierenden Gräfin: “Hämon, geliebter Bruder! O, wie selig fühl’ ich mich!” wäre es den musikalisch witzigen Lortzing gewiss nicht schwer geworden, sie durch eine vielleicht der musikalischen Antike entnommene Phrase zu charakterisieren, was dann auch der Replik des Grafen zu Gute gekommen wäre. Da der Komponist nach dieser Erwiderung, die in A moll schließt, allerdings etwas eilig sein musste, wollte er für seinen darauf folgenden wunderhübschen vierstimmigen Satz nun einmal As dur gewinnen, so dürfen wir wohl kaum mit ihm darüber rechten, dass er durch einen Staatsstreich, durch ein Alles niederwerfendes Unisono sich der notwendigen Septime in Es bemächtigte. – Die vier singenden Personen reflektieren in diesem melodisch und harmonisch ausgezeichneten Satze über den begriff von: schuldbewusst und schuldlos. Sie tun dies in so wohllautender Weise, dass man gern geneigt ist, etwaige Zweifel an ihrer Schuldlosigkeit zu unterdrücken. In Anfange ganz ohne Begleitung, erhält später der Gesang durch einige episodische Unterbrechungen des Orchesters einen wohltuenden Haltpunkt und gesteigertes Interesse. Die scheinbar unbewusste Ironie, die aus dieser Meditation hervorblickt, hätte der Komponist gewiss recht wirksam durch die etwas nuancierten Unterbrechungen und Beantwortungen des Orchesters bezeichnen können. Die zu kleinen Gruppen gestaltete Form des Ganzen würde sich solchen Einschaltungen besonders günstig gezeigt haben. Doch ist der Satz auch ohne weitere Zutat trefflich und gewiss von ausgezeichneter Wirkung.

Es folgt nun ein passender, wohl absichtlich etwas derb gehalten Chor der Landleute, worauf dann die etwa noch nötige Erklärungen in geziemender, musikalisch analoger Weise gegeben werden. Die liebe Schuljugend macht noch spezielles Glück durch einige familiäre Ausrufungen, wie: “Unser Bruder, unsre Schwester lebe hoch!” vorzüglich aber durch die zweistimmige Chorsupplik, die ein so schweres Gewicht auf ihren lieben Schulmeister legt, dass ihm der Graf gern verzeiht. Nach förmlicher Amnestie für den dilettierenden Wilddieb schließt ein fröhlicher Chor, dessen Motiv wir schon in der Ouvertüre vernehmen, das heitere Werk, das auf’s Neue Zeugniss gibt für das bedeutende leicht ansprechende Talent des wackeren Komponisten, und bei sorgsamer und entsprechender Darstellung überall gefallen wird.

Unsere ausführliche Besprechung dieses neuesten Werkes des bei allen namhaften Bühnen und also bei dem großen Publikum bereits ehrenvoll akkreditierten Komponisten beweist schon durch ihr genaues Eingehen, dass wir ihn hochschätzen und uns seiner schönen Erfolge aufrichtig freuen. Sein entschiedenes Talent für die leichte und anmutige Kunstgattung der komischen Oper liegt unverhüllt vor uns, und wir schöpfen aus seiner ergiebigen Produktivität die gegründete Hoffnung, dass wir noch gar manches schöne und freundliche Werk von ihm erwarten dürfen. – Da wir von vielen Seiten die Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit des wackeren Künstlers rühmen hörten, so sind wir um so weniger besorgt, er möchte die Bemerkungen, Ausstellungen und Winke, die wir im Verlaufe dieser beurteilenden Anzeige zu erkennen gaben, nicht im rechten Sinne nehmen. Sie tragen ja wohl sämtlich den Stempel jener unparteiischen, aber wohlwollenden, Anschauung, und (wir dürfen es wohl sagen) jener ächten Kunstliebe, die ein offenbares und bedeutendes Talent so gern in voller Klarheit strahlen sehen möchte, und deshalb mit prüfendem Blick die Schwachen aufsucht und bezeichnet, welche die volle Wirkung des Kunstwerkes beeinträchtigen. – Möge daher der freudige Beifall des Publikums den trefflichen Künstler nicht unempfänglich machen für die Winke einer besonnenen und motivierten Kritik! Möge das Glück und des Komponisten eigene umsichtige Wahl ihm recht günstigen Stoff für seine heitern Gebilde zuführen, und möge die ihm eigentümliche Leichtigkeit, mit der er produziert, ihn nicht zur Übereilung, zur Flachheit verleiten – dann sind wir überzeugt, dass sein rasch erworbener Ruf kein vorübergehender sein wird. – Mit freudiger Teilnahme wollen dann auch wir jedes neue Werk von ihm begrüßen, das unsern Erwartungen entspricht.

Der Klavierauszug diese Werkes, das gewiss bald auf den meisten Bühnen heimisch sein wird, ist mit Umsicht und Geschicklichkeit ausgearbeitet; die Begleitung wirksam und doch leicht ausführbar. Der Stich ist schön, und auch, bis auf einige leicht zu verbessernde Versehen, korrekt. – Das beigefügte Libretto ist eine gewiss allseitig willkommene Zugabe, und wird besonders den Theaterdirektionen von Nutzen sein.
Al.


August. No. 33.
Frankfurt.
Musik vom 12. Juni bis zum 20. Juli.
(…)
Die bis dato hinter einander gegebenen Opern waren: Der Barbier, Zar und Zimmermann, Die wandernden Komödianten, Lucia von Lammermoor, Norma, Titus, Puritaner, Don Juan, Gott und Bajadere (zum ersten Mal), Stumme, Hugenotten, Dorfbarbier und das Nachtlager; das Gesangspiel: Die neue Fanchon; die Posse: Eulenspiegel, und das Quodlibet: Fröhlich. – (…)


Oktober. No. 43.
Nachrichten.
Prag.
(…)
Die erste Gastdarstellung des Herrn Räder vom königl. sächsischen Hoftheater war der Bürgermeister van Bett im Zar und Zimmermann, auf welchen der Doctor Dulcamara im Liebestrank folgte. (…)


November. No. 47.

Nachrichten
Berlin; den 1. November 1843
(…)
Donizetti’s Tochter des Regiments und Lortzing’s Zar und Zimmermann gehören fortwährend zu den stehenden und beliebten Opern des Repertoires, welches nun auch durch eine hier noch neue komische Oper des letzteren bereichert ist. Der Wildschütz oder die Stimme der Natur, nach Kotzebue’s Lustspiel: Der Rehbock von dem Komponisten vermutlich selbst mit vielem Geschick bearbeitet, ward am 24.v.M. zum ersten Male gegeben, und hat, vorzüglich des pikanten und belustigenden Sujet’s wegen, so gefallen, dass bei der Wiederholung am 29.v.M. die Billette sogleich vergriffen waren. Die Musik ist in Lortzing’s gewöhnlicher Weise, leicht, melodiös und gut instrumentiert, wenn auch nicht neu und eigentümlich erfunden, dennoch wirksam und ansprechend. Für das am Meisten dramatische Musikstück hält Referent die Billardszene im zweiten Akt, an das effektvolle Sextett im zweiten Akt von Zar und Zimmermann erinnernd. Die vorzügliche Besetzung der Rollen trug auch wesentlich zum Erfolge der Vorstellung bei. Dem. Tuczeck repräsentierte die als junger Student und Bäuerin verkleidete Baronin eben so anziehend, als sie die Gesangpartie graziös ausführte. Mad. Valentini ließ im Gesang freilich den Mangel an Klang der Stimme bedauern, stellte indes die Gräfin mit ihrer Gräkomanie sehr ergötzlich dar; eben so befriedigend im Spiel und ausgezeichnet im Gesang gab Herr Mantius den vom Weltschmerz geplagten, verliebten Baron. Eine höchst komische Figur war Herr Blume als Baculus, an den Schulmeister in Kotzebue’s Dorf im Gebirge mit angenehmer Musik von Weigl erinnernd. Auch Dem. Grünbaum war ein recht nettes Gretchen, welche vom Bearbeiter aus Diskretion zur Braut transformiert ist, welche doch eher noch für 5000Rthl. abgetreten werden kann, als Bakel’s Frau im Lustspiel. Den Grafen spielte Herr Bötticher mit vielem Anstand und Galanterie, und sang seine Polonaisenarie mit ansprechender Leichtigkeit. Auch die Nebenrollen wurden gut ausgeführt. Das Publikum blieb vom zweiten Akt an fast fortwährend im Lachen. Der erste Akt dehnt sich zu sehr, wie überhaupt Gesangtext und Dialog zu breit ist und der Abkürzung bedarf. – (…)

Am 12. Oktober fand bei überfülltem Hause die erste Aufführung der komischen Oper Zar und Zimmermann von A. Lortzing statt. Die in einzelnen Partien recht gelungene Darstellung war von dem allgemeinsten und lebhaftesten Beifall begleitet. Allgemein wird es bei uns – wie wohl überall, wo das Werk zur Produktion gelangt ist – anerkannt, dass Lortzing sich dadurch ein unbestreitbar großes Verdienst um die deutsche Bühne erworben hat, indem wir es nicht vermögen, in der neueren Zeit ein Werk dieser leichteren Gattung von einem deutschen Meister dem hier angeführten in musikalischer Hinsicht gleichzustellen. Die Komposition des für die komische Oper geeigneten Stoffes finden wir eben so wohl charakteristisch als ächt musikalisch. Zeichnet sich die Musik auch nicht gerade durch Neuheit der Gedanken aus, so herrscht doch überall eine dem Sujet vollkommen entsprechende Leichtigkeit und Natürlichkeit, alle Tonstücke haben eine technisch gute, abgerundete Form, die Instrumentation ist einfach und charakteristisch und der Gesang bequem ausführbar. Es ist nicht mehr an der Zeit, auf die einzelnen Nummern dieses Werkes, das schon so oft in musikalischen Blättern Gegenstand der Besprechung gewesen ist , einzugehen, und wir schliessen darum unser Referat über dasselbe mit der Bemerkung, dass während der Aufführung Fräul. Eder (Marie), und die Herren Birnbaum (van Bett), Biberhofer (Zar) und Derska (Marquis) vom Publikum ausgezeichnet wurden. (…)


Dezember. No. 49.

Nachrichten.
Breslau – Ende November
(…)
Von Novitäten sind Lortzing’s Wildschütz und Donizetti’s Linda di Chamounix erschienen, die beide gefallen haben. (…)


Dezember. No. 51.

Nachrichten
Berlin, den 2. Dezember 1843
(…)
Das königliche Theater hat im November noch drei Mal den Sommernachtstraum bei vollem Hause wiederholt, ein Mal die Hugenotten mit Herrn Ditt als Raoul und drei Mal den Wildschütz. (…)


AMZ: 46 – 1844