AMZ: 46 – 1844

Januar. No. 4.

Nachrichten
Hamburg, im Dezember 1843
(…)
Neu gingen in Szene die Opern: “Der Feensee” von Auber und “Der Wildschüutz” von Lortzing. (…) – Lortzing’s Oper hat eine seht beifällige Aufnahme gefunden und füllt fortwährend das haus, so dass die wohl bald die Tantieme erhalten wird, welches dann die erste sein wird, welche die Theaterdirektion von der Oper zu zahlen hat gelobt hat. Herr Bost ist als “Schulmeister”außerordentlich brav und erhält jedesmal lebhaften Beifall. Die Arie zum Schlusse des zweiten Akts muss er gewöhnlich repetieren. – (…)


Januar. No. 5.

Nachrichten
Berlin.
(…)
Um so sparsamer waren die Leistungen der neu in Szene gesetzten, seit zwölf Jahren ruhenden Oper Belmonte und Constanze von Mozart, nur Wiederholungen des “Wildschütz” (drei Mal) und “Carlo Broschi” (fünf Mal) lieferte. (…)


März. No. 11.

Nachrichten.
Berlin.
(…)
“Carlo Broschi” und “Der Wildschütz” sind im Januar nur ein Mal bei vollem Hause wiederholt worden.
(…)


April. No. 15.

Nachrichten.
Berlin. (Beschluss.)
(…)
Bei der königl. Oper setzten Mad. Schröder-Devrient und Herr Härtinger ihre Gastspiele fort. Otello und Fidelio wurden wiederholt. In Bellini’s Norma sang die zeither wenig beschäftigte Dem. Marx die Titelrolle, und Herr Härtinger den Sever. Carlo Broschi wurde zwei Mal, der “Wildschütz” einmal wiederholt. (…)


April. No. 15.

Nachrichten.
Prag. Zwei Benefizien brachten uns zwei neue Opern, eine deutsche und eine französische. Wir sahen nämlich zum Vorteile der Dem. Grosser zum ersten Male: “Der Wildschütz, oder die Stimme der Natur”, komische Oper in drei Akten nach Kotzebue frei bearbeitet, Musik von Albert Lortzing, und zum Vorteile der Dem. Köckert: “Des Teufels Anteil”, komische Oper in drei Akten nach dem Französischen des Scribe, Musik von Auber. Beide Opern gehören nach der technischen Sprache des Theaters unter die Spielopern, kein Wunder, wenn sie hier keine genügende Darstellung finden konnten. Wenn in der Oper nur gesungen werden soll, so haben wir jetzt einige Stimmen, die man gern hört; wenn es aber darauf ankommt, Charaktere durchzuführen, piquante und komische Momente und Situationen zu motivieren und darzustellen – da haben wir fast gar kein Personale, und wenn auch weder der “Wildschütz” noch des “Teufels Anteil” als Musteropern ihrer Gattung aufgestellt werden können, so ist doch die geringe Teilnahme, die sie erregten, größtenteils Schuld der Darsteller. Lortzing hat in seinen “Beiden Schützen”, noch mehr im “Zar und Zimmermann” mit welchem Geschick er weniger bekannte Lustspielstoffe für die komische Oper zu benutzen weiß; wir haben ihn aber schon beim “Hans Sachs” darauf aufmerksam gemacht, wie schwierig diese Prozedur durch den Umstand werde, dass der Stoff allgemein bekannt und gleichsam in Blut und Leben des Publikums übergegangen sei. Dieser Umstand tritt bei dem älteren Teile der Zuschauer auch am Rehbock ein, und in bezug auf das jugendliche Publikum hat sich Lortzing eines Fehlers schuldig gemacht, den wir dem bühnenkundigen Kenner des Publikums nicht zugetraut hätten. Wenn nämlich ein Lustspielstoff für eine Oper benutzt werden soll, so muss notwendig die Intrige vereinfacht werden, um der Musik den gehörigen Raum zu ihrer Entfaltung darzubieten. Im Gegenteile hat Herr Lortzing dem “Rehbock” noch neue Motive hinzugefügt: die Gräkomanie der Gräfin und den Weltschmerz des Barons. Das erste Motiv dürfte vielleicht jetzt, in der Saison des Sophocles, in einem Lustspiele, wo man mit geistreicher Ironie durchführen könnte, wirksam sein, der letztere ist – man darf nicht sagen Rokoko, weil diese Mode zwar in den letzten Zügen liegt, aber noch nicht Tod ist, – doch hors de saison, oder besser zu sagen: mauvais genre, und seine Einführung ist auf jeden fall verfehlt, selbst im Lustspiel, wo diese Art von Gestalten, wenn auch selten, doch aber hie und da einen Darsteller findet. Die Billardszene (die selbst Kotzebue hinter eine Seitentüre verlegte) ist wirksam, aber so indezent, dass sie ihr Exequatur wohl nur dem Mangel an Phantasie des Zensors verdankt. Dass der Dichter der Oper dem Grafen und Baron schon im ersten Akt die Bekanntschaft des falschen Gretchens verschaffte, gewährte auch dem Kompositeur ein vollstimmiges Finale, doch ist nicht zu läugnen, dass dieser Umstand die Spitze aller Situationen des zweiten abstumpft und das Interesse des ganzen wesentlich schmälert. Die Musik ist eben kein außerordentliches Werk, ja sie bleibt im Gesamteindruck selbst weit hinter dem “Zar und Zimmermann” zurück, doch ist sie, von “Hans Sachs” an gezählt, wieder ein Vorschritt und enthält manche gelungene, charakteristische und mit frischem Humor ausgestattete Nummer. Die Ouvertüre ist sehr schwach, dagegen die Introduktion voll muntere Laune, und das ABC-Duett würde wirksamer sein, wenn es weniger in die Länge gezogen wäre. Sowohl die Sortita der Baronin, als das Lob des Landlebens sind frisch und melodiös. Im zweiten und dritten Akte finden wir mehrere interessante Piecen, leider aber auch manche, welche den günstigen Effekt wieder zerstören, den jene hervorbrachten. Ein wahres “Ende gut Alles gut!” bildet das humoristische Finale mit dem deutungsvollen Refrain:

Es hat mich nicht getäuscht
Die Stimme der Natur,

welches beinahe an das:

Ja, ich bin klug und weise
Und mich betrügt man nicht.

des “Zar und Zimmermann” erinnert. Was die Darstellung betrifft, war der Schulmeister – eigentlich die Hauptperson der Oper – Herrn Brava zu gefallen, der eine recht gesunde kräftige Stimme, doch keineswegs jene brillante vis comica besitzt, auf welche Lortzing bei seinem Baculus Anspruch macht. Herrn Kunz (Graf) war ein für ihn unauflösliches Problem zugefallen, einen aimable Roué darzustellen. Auch die Gräfin (Mad. Podhorsky), welche gar nichts zu singen hat (?), schien sich nicht in ihre Aufgabe gefunden zu haben, und Herr Damke (Baron) ließ uns eben so wenig von den Gefühlen seines zärtlichen Herzens, als von seinem überflüssigen Weltschmerz merken. Dem. Grosser (Baronin) und Dem. Senger (Nanette) zogen sich ziemlich gut aus der Affaire, und die einzige der mitwirkenden Personen, deren Leistung man als genügend erkennen muss, war Dem. Köckert als Gretchen. Die Reprise, zum Vorteile des Herrn Franz Brava aufgeführt, zeigte ein leeres haus, dagegen schien die dritte Produktion ein größeres Interesse im Publikum zu erregen. – Wir wollen sehen wie es weiter geht.
(…)


Mai. No. 22.

Nachrichten.
Berlin, den 4. Mai 1844.
(…)
Am ersten Ostertage wurde “Belmonte und Constanze” im königl. Theater (auf der königsstädter Bühne Cimarosa’s “Matrimonio segreto”, ferner “Norma”, “Die Tochter des Regiments”, “Carlo Broschi”, “Der Wildschütz”, “Die Nachtwandlerin” (Herr Pfister als engagiertes Mitglied – Elwino), “Das Nachtlager von Granada” (Herr Pfister – Gomez) wiederholt. (…)


Juni. No. 24.

Frankfurt. Musik vom 23. Januar bis zum 23. Mai 1844.
Es waren große Anstrengungen nötig, um unser Opernschiff wohlbehalten durch die Klippen und Brandungen zu führen, gegen die ein solches mehr oder weniger immer zu steuern hat. Hier die Grippe, dort allerlei Sängercapricen, da wirkliche Heiserkeiten und Schnupfen, die Bälle und aristokratischen Reunions im Winter, und kaum sind die vorüber, die für jeden Theaterdirektor so wonnelose Zeit des Wonnemonds! Deshalb würde es ohne die außerordentliche Tätigkeit Guhr’s mit der Theaterkasse noch schlimmer bestellt gewesen sein, als wirklich der Fall war. Das Schauspiel, – da Baison und C. Schneider die hiesige Bühne verlassen haben, die vortreffliche Frühauf krank darniederliegt, auch Madame Meck öfter leidend war, und unsere Lindner nicht alle Tage die Antigone oder Phädra spielen kann – musste täglich lavieren, und nicht selten stand eine große Oper für ein kleines Lustspiel ein. Im Februar z.B. wurden einmal acht Opern hinter einander ohne Zwischentag gegeben. Dennoch murren im Ganzen genommen die Sänger nicht, helfen heute an der Medea arbeiten, morgen an Rochus Pumpernickel, und singen eben in allen Farben des Stils, so lange noch die Kehlbänder halten wollen. Aloys Schmitt’s “Osterfest” wurde wiederholt, zog aber nicht, und da die Oper nicht wohl oft mit demselben Pomp gegeben werden kann, so wird sie das Schicksal mit Guido und Ginevra, Märtyren und ähnlichen Pompopern teilen, bei welchen die Bühne besetzter ist als das Parterre. Zum Besten unseres Violinisten Heinrich Wolff wurden Szenen aus Robert, Puritaner und Zar und Zimmermann gegeben, zwischen denen der Virtuos spielte. Wolff’s Spiel ist schon oft als ein ächt solides, von wahrem Künstlergeist beseeltes gewürdigt worden. Die Opern, welche das tägliche Brot geben, waren: Belisar, Teufels Anteil (für die Armen), Robert, das Nachtlager, der lustige Schuster, Aschenbrödel, Figaro, Herr Rochus Pumpernickel, die Favorite, Barbier von Sevilla (worin unser Komiker Hassel den Bartolo zum hundertsten male gab), Zampa, Zar und Zimmermann, Don Juan, Freischütz, Tell, Kapellmeister von Venedig, Otello, Hugenotten, Montecchi und Capuletti, Lucrezia Borgia, Norma, Regimentstochter, Wasserträger. Die Zauberflöte wurde in Zeit von vier Wochen fünf Mal fast hinter einander gegeben, und zwar mit drei verschiedenen Königinnen. Davon später. Der Schnee von Auber, der Kalif, die Entführung, Medea, die weiße Dame und der Postillion von Longjumeau wurden renoviert. Lortzing’s “Wildschütz”, der drei Mal ungemein gefiel und eine Zugoper bleiben wird, war die einzige Novität. Lortzing ist eine merkwürdige Erscheinung. Seine Melodien fließen ohne Prätention und Zwang munter dahin. Da ist weder Flachheit, noch Prahlgelehrsamkeit. In jeder Nummer ist gesunde Natur und Wahrheit, sprudelt Humor und Witz. Man hört der Musik an, dass ihr Schöpfer zum Komponisten geboren ist. Ensemble und Final, wovor sich die Meisten fürchten, sind sein Element; deshalb sind sie auch von einem Guss. Lortzing komponiert nicht im Schweiße seines Angesichts, sondern unter Lächeln. Deshalb auch freuen sich die Sänger und Chöre, freut sich der Direktor und das Orchester von der ersten Violine bis zur Pauke, und freut sich das Publikum. Sein Stil, fliessend, leicht und pikant zugleich, zeigt, dass er sich zu jener schönen Zeit bekennt, da Euterpe noch eine Friedensgöttin war. Seine Musterbilder sind offenbar Mozart, Dittersdorf und die Italiener jener Kunstperiode, denn er hält die Mitte zwischen Beiden, obgleich manche Melodie mitunter an die neue italienische Manier streift und seine Instrumentation durchaus pittoresker ist. Die hektisch larmoyante, kramphaft zuckende, und dabei im Weltschmerz tändelnde, oder die kokette und prahlende, in allen Farben schimmernde, oder die schwerschreitende, breite, massenhafte, historisch – gigantische und dabei melodienlose hyperromantische Schule nehme ein Exempel daran. Hin und wieder sind Längen; auch der Genuss des guten ermüdet bei überschrittenem Maß, und so mag Herr Lortzing künftig den Faden seiner Dichtungen (denn er ist auch Verfasser des Libretto) etwas kürzer spinnen. Zu dem günstigen Erfolge des Wildschützen hat gewiss auch unsere Besetzung beigetragen, denn Conradi (Baculus) hat ein so entschiedenes Talent für chargierte Komik, dass schon sein Erscheinen die Lachmuskeln reizt. Eine Grete, so drallig und vollwangig, so naiv – eckig, und lächerlich verschämt, und dabei noch verschmitzt, wie sie Fräul. Kratky darstellt, wird nicht leicht übertroffen werden; sie gibt ein herrlich Modell zu einer derben Falderin, und man muss an der Identität ihrer Person zweifeln, wenn man sie als Clytemnestra gesehen hat. So übermütig burschikos als mädchenhaft graziös ist Fräul. Capitain (Baronin Freymann) in ihrer Doppelmaske als Student und Bäuerin. Dem. Hoffmann befindet sich als Gräfin Eberbach ganz in ihrer Sphäre, und den ironischen Spott auf die Manie mit der griechischen Tragödie gibt sie mit wahrhaft ergötzlicher Gespreiztheit. Caspari als Kronthal bewegt sich so ungezwungen, als es die seltene Berührung mit der komischen Oper gestattet. Wiegand (Eberbach) hat weit mehr Routine darin, und bekundet nebst dem Sänger auch den gewandten Tänzer. Herr Diehl gab sein “wie närr’sch” in der tat recht närr’sch, und die Episode mit den Schulkindern hob den späten Schluss der Oper zum Glück noch so interessant hervor, dass das Lied wiederholt werden musste. Unter solchem Zusammenwirken konnte der glänzende Erfolg der Oper nicht fehlen, und sie wird unter so günstigen Auspizien mit der Regimentstochter rivalisieren können.
(…)


Juli. No. 28.

Nachrichten.
Hamburg Juni 1844.
(…) – Lortzing’s Wildschütz ist die erste Oper gewesen, die sich die Tantieme erworben hat, welche aber leider nicht bedeutend ausgefallen ist, da das haus sehr schwach besetzt war. – (…)


Juli. No. 29.

Nachrichten.
Berlin, den 1. Juli 1844.
(…) Einige artige Melodien und Instrumentaleffekte genügen doch denjenigen Zuhörern nicht, die an höheren Genuss gewöhnt sind. Hierin steht für die komische Oper de Deutsche Lortzing, bei aller Leichtigkeit der Behandlungsweise, doch viel höher, als der Pariser Komponist. [Adolphe Adam – G.O.]


August. No. 33.

Nachrichten.
Leipzig, den 13. August 1844. Der gestrige Abend brachte die erste Opernaufführung auf unserm nach einer fast dreimonatlichen Unterbrechung am 10 d.M. wieder eröffneten Stadttheater, dessen Leitung von nun an Herr Dr. C.Chr. Schmidt übernommen hat. In jetziger Zeit – wo der Fortschritt mehr als je zur Lebensaufgabe eines Jeden geworden ist, er möge der Kunst oder der Wissenschaft sich widmen, und wo man, eben weil die Überzeugung von dieser Notwendigkeit bei Allen immer mehr durchdringt und wächst, in jeder wenn auch anscheinend geringfügigen Veränderung auch eine Verbesserung zu erblicken hofft, – konnte es nicht fehlen, dass man hier den Leistungen unserer Bühne unter der Direktion des genannten Unternehmers gespannt entgegensah. Und in der Tat, wenn man auch dem in manchen Beziehungen ausgezeichneten Direktionstalente des Herrn Ringelhardt, welcher in den letzten Jahren an der Spitze des Theaters stand, Gerechtigkeit widerfahren lassen muss, so vereinigen sich doch alle Stimmen dahin, dass, besonders in der letzten Zeit, unsere Oper (und mit dieser allein haben wir es in diesen Blättern zu tun) den Ansprüchen keineswegs genügte, die eine so kunstsinnige Stadt, wie Leipzig, an sie zu machen wohl berechtigt war. Ob und in welchem grade dies der nunmehr, wie es scheint, durchgreifend regenerierten Oper gelingen wird, muss die Folge lehren, und es kann natürlich von einem Urteile nach der ersten Aufführung noch nicht die Rede sein. So viel aber ist gewiss dem gestern versammelten Publikum deutlich geworden, dass Herr Dr. Schmitt uns tüchtige Sänger und Sängerinnen gewonnen hat, von deren Leistungen wir uns noch manchen Genuss zu versprechen haben.

Als eine in jeder Hinsicht würdige und glückliche Wahl müssen wir es bezeichnen, dass die Oper aller Opern, Mozart’s unerreichter und unerreichbarer Don Juan, den Anfang machte. Die Verteilung der Rollen war folgende: Don Juan – Herr Eicke; Gouverneur – Herr Pögner; Donna Anna – Fräul. Mayer; Donna Elvira – Fräul. Steydler; Don Ottavio – Herr Wiedemann; Zerline – Frau Bachmann geb. Günther; Leporello – Herr v. Ulram; Masetto – Herr Bickert. Mit Ausnahme der Frau Bachmann und des Herrn Pögner, die zu unserer Freude die neue Direktion erhalten hat, und des Herrn Eicke, der schon vor einigen Jahren an hiesiger Bühne engagiert war und noch in gutem Andenken in Leipzig steht, waren uns die Darstellenden bisher fremd, und sind wir auch nach einmaligem Hören eben so wenig geneigt als im Stande, über ihre Leistungen ein nur einigermassen entschiedenes Urteil zu fällen, so gestehen wir doch gern, dass wir durch die Stimmen und den Vortrag der Genannten, so wie durch den stärker, als früher, und mit frischem Stimmen besetzten Chor angenehm überrascht worden sind und das Theater befriedigt und erfreut verlassen haben. Das in dem neu und geschmackvoll dekorierten Hause sehr zahlreich versammelte Publikum erkannte und belohnte die Trefflichkeit der Vorstellung durch häufigen und rauschenden Beifall und dankte dem Direktor am Schlusse durch Hervorrufen.

Die ferneren Aufführungen und namentlich die Leistungen der einzelnen Mitglieder ausführlicher zu besprechen, behalten wir uns vor, und beschränken uns bis jetzt darauf, in Nachstehendem das Verzeichnis des bei der Oper angestellten Personals mitzuteilen.

Kapellmeister: Herren Lortzing und Netzer.
Chordirektor: Herr Günther.
Gesanglehrer: Herr Meyer.
Regisseur: Herr Eicke.
Darstellende Mitglieder:
Herr Berthold, Bassbuffo.
“ Bickert, zweite Basspartien.
“ Eicke, erste Baritonpartien.
“ Henry, erste und zweite Tenorpartien, Tenorbuffo.
“ Kindermann, erste Heldentenorpartien.
“ Lehmann, erste Tenorpartien.
“ Meixner, Bonvivants, jugendlich komische Rollen.
“ v. Planer, Bariton – und Basspartien.
“ Saalbach, kleine Basspartien.
“ Stürmer, zweite Bass- und Baritonpartien.
“ v. Ulram, erste und zweite Basspartien.
“ Wiedemann, erste Tenorpartien.
Fräul. Adolph, jugendliche Gesangpartien.
“ Bamberg, erste und zweite Gesangpartien.
Frau Eicke, komische und ernste Alte.
“ Günther – Bachmann, Soubrette, Spielpartien.
Fräul. Mayer, erste gesangpartien.
“ Steydler, erste und zweite Gesangpartien.
“ Targa, jugendliche Gesangpartien.
“ Wertmüller, erste und zweite Gesangpartien.
Zwanzig Choristen. Zwanzig Choristinnen.

Frankfurt a.M. Am 3. Juli dirigierte Lortzing in Mannheim seine Oper “Zar und Zimmermann” mit dem glänzendsten Erfolge. Schon in der Probe wurde er, durch Lachner vorgestellt, von dem versammelten orchesterpersonale laut begrüßt, und am Abend der Vorstellung selbst ihm von einem sehr zahlreichen und gewählten Publikum anhaltender Applaus. Das Publikum rief ihn mehrere Male hervor, und von Seiten der Intendanz erhielt er einen kostbaren Taktierstab. – Gleiches Interesse erregte in hiesiger Stadt sein “Wildschütz” am 19. Juli unter der ebenfalls persönlichen Leitung des Komponisten; eine Auszeichnung, deren sich in Frankfurt noch Niemand rühmen konnte und welche von Guhr’s Achtung für das wahre Verdienst zeugt. Dieselbe Achtung bewiesen ihm Orchester, Sänger und der Chor durch diese in der Tat von einem ächten Humor belebte und, ich möchte sagen, pikante Darstellung. Das Haus war gedrängt voll und der Beifall stürmisch. Alles war begierig, den genialen Komponisten zu sehen, dessen Doppeltalent (denn bekanntlich ist er auch Verfasser seiner Texte) dem deutschen Publikum schon so viel Vergnügen gewährt hat. Empfangen und zwei Mal hervorgerufen, erschien Lortzing und dankte auf eine sinnige und liebenswürdige Weise.


September. No. 39.

Nachrichten.
Dresden, den 31 August 1844.
(…) – Der “Zar und Zimmermann” wird hier, bis auf Herrn Räder, welcher als van Bett ein höchst komisches Original ist, im Ganzen nur mittelmäßig gegeben, gefällt aber dennoch hier, wie überall. – (…) Am letzten Sonntage wurde, statt der angekündigten “Regimentstochter”, Lortzing’s “Wildschütz” wirksam und belustigend durch Herrn Räder’s (Schulmeister Baculus) natürliche und drastische Komik gegeben. Dem. Wagner singt die Partie der Baronin als verkleidetes Landmädchen recht gut, ohne indes in der männlichen Travestie so pikant zu effektuieren, Fräul. Tuczeck in Berlin. Dem. Thiele ist ein niedliches Gretchen. – (…)


Oktober. No. 40.

Nachrichten.
Leipzig, den 1. Oktober 1844. In den sieben Wochen, welche nunmehr seit Wiederöffnung unseres Stadttheaters verflossen sind, wurden uns von der neuen Direktion sechs opern: Don Juan, Die Zauberflöte, Otello, Norma, Der Schöffe von Paris von H. Dorn, und Mara von J. Netzer, und in ihnen ziemlich die sämtlichen engagierten Sänger vorgeführt. Der Aufführung des Don Juan gebührt unstreitig darunter der Preis; sie war im Ganzen, wie im Einzelnen, eine gelungene zu nennen. (…)

Die Ensembles und das Finale gingen exakt und rund, und namentlich machte der Chor eine gute und volle Wirkung, wie denn überhaupt das Ganze von Herrn Lortzing, der von der Oper und dem Lustspiele ganz zurückgetreten ist und mit Herrn Jos. Netzer in die musikalische Leitung sich teilt (warum und woher beide Herren den etwas pompös klingenden Titel: Kapellmeister angenommen haben, hat Referent noch nicht erfahren können), tüchtig und sicher dirigiert wurde.
(…)


Oktober. No. 43.

Nachrichten.
Frankfurt. Musik vom 24. Mai bis zum 30. September.
(…)
Opern von Gewicht waren Fidelio, Medea, Wasserträger, Aschenbrödel, Freischütz, Figaro, Entführung, Zauberflöte, Tell und das Opferfest. Auch schritt Antigone wieder über die Bühne, deren musikalischer Teil gewiss einer soliden Oper gleichzustellen ist. Mehrere dieser angeführten wurden wiederholt, welches meinen Satz, dass unser Publikum noch für Klassisches empfänglich ist, rechfertigen mag. Kreutzers Nachtlager und Lortzings Zar und Zimmermann ziehen, so oft sie auch gegeben werden, und Adams Postillion, Boieldieu’s weiße Frau, die Regimentstochter und Teufels Anteil werden immer freundlich aufgenommen. Wenn wir dazu nun noch die unvermeidlichen Norma’s, Nachtwandlerinnen, Belisario’s. Lucrezien nehmen, so haben wir einen kurzen und bündigen Überblick des Opernstatus der letzten vier Monate, woraus nur noch einzelnes vorzüglich beachtenswertes hervorzuheben ist.
(…)


November. No. 48.

Cassel, im Oktober 1844. (…)
Am 6. Oktober ging Lortzing’s komische Oper “Der Wildschütz” hier zum ersten Mal in Szene. Den Erwartungen, welche wir an dies neueste Werk des Komponisten von “Zar und Zimmermann” machten, ist durch dasselbe auf das Vollkommenste entsprochen worden. Dasselbe gehört zu der Gattung der Spielopern, in welchen in der Regel wenig ausgeführtere Sologesangpiecen, dagegen aber mehr Ensemblestücke vorkommen. Das letzter auch in diesem Werke des um die komische Oper verdienten Komponisten wieder eben so gut angelegt, als ausgeführt, insbesondere szenisch gut gedacht, leicht an einander gereiht und überhaupt mit vielem Geschicke komponiert sein würden, durften wir schon im Voraus erwarten. Wenn wir indes auch keines der erwähnten mehrstimmigen Gesangstücke dieser Oper entbehren möchten, so würde es nach unserer Meinung dennoch dem ganzen Werke zum Vorteile gereicht haben, wenn dasselbe mit einigen Solopiecen mehr geziert worden wäre, für welche sich das grössere Publikum wohl überall zunächst interessiert. Lortzing erwirbt sich ein nicht geringes Verdienst um die Musik, insbesondere der Oper, indem er das musikalisch Höhere, Vollendetere – aber auch Kompliziertere – auf die möglichst fassliche Weise, insbesondere nach dem Vorbilde Mozart’s, dem größerem Publikum zugänglich macht, dessen musikalischer Geschmack durch die italienisch süßlichen und französisch koketten Melodien der Oper des Tages sehr gelitten zu haben scheint. Nicht nach musikalischen Rhapsodien, mit welchen sich viele neueren Tonsetzer begnügen, sondern nach ausgeführteren, vollendeteren modulatorischen Formen strebt Lortzing auch in den meisten Nummern dieser Oper. Und nach der Erfahrung aller Zeiten ist gerade diese letzte Eigenschaft der Tonstücke allein geeignet, für dieselben nicht nur dem Kenner, sondern auch dem Laien dauerndes Interesse einzuflößen, ohne dass sich letzterer des Grundes jemals bewusst wird, nur ist für ihn die Wirkung solcher Musik niemals – oder doch nur selten – eine schlagende, sondern stets eine allmählig zunehmende. Wir dürfen daher wohl annehmen, dass bei wiederholten Aufführungen des Werkes die Teilnahme dafür sich immer mehr steigern werde, wenn gleich die erste Aufführung sich schon einer beifälligen Aufnahme zu erfreuen hatte. Lebhafte Teilnahme erhielt im ersten Akt: das Lied mit Chor “A B C D, “ der Jägerchor, in dem Finale das Lied für Sopran “Bin ein schlichtes Kind vom Lande”; im zweiten Akt: das Duett für Sopran (Baronin) und Tenor (Baron), die Arie des Baculus “Fünftausend Thaler”; im dritten Akt: die Arie des Grafen, in dem Finale das Vokalquartett und der Chor der Schuljugend “O du, der du die Tugend selber bist”. Der letztere brachte stürmischen Beifall hervor und wurde da Capo verlangt. Herr Birnbaum (Baculus) wurde gerufen. Obwohl wir die erste Darstellung des Werkes als eine in den meisten Stücken gelungene zu bezeichnen haben, so leugnen wir dennoch nicht, dass wir manches Einzelne besser ausgeführt erwartet hätten. Um nur eines Umstandes zu erwähnen, den wir als mangelhaft bezeichnen müssen, gestehen wir, dass wir im Gesangvortrag der weiblichen Stimmen nicht jederzeit befriedigende Deutlichkeit der Aussprache, gepaart mit wohltuendem Kolorit des Tonklanges, wahrgenommen haben. Namentlich trifft dieser Vorwurf die Damen Schaub (Gräfin) und Miller (Gretchen). Wenn auch der Vortrag von parlanten Sätzen in schneller Bewegung dem Organe der weiblichen Stimmen – vornehmlich in der höheren Tonlage – ungleich mehr Schwierigkeiten, als dem der männlichen darbietet, so ist doch deren Überwindung bei angestrengtem Fleiß möglich , und darum dürfen wir gewiss die Beseitigung dieses in der Tat störenden Mangels dringend empfehlen. Die übrigen Partien waren folgendermaßen besetzt: Graf von Eberbach – Herr Biberhofer; Baron Kronthal – Herr Derska; Baronin Freimann – Fräul. Eder; Nanette – Fräul. Gerlach; Pancratius – Herr Häser.
(…)


AMZ: 47 – 1845