AMZ: 48 – 1846

Januar. Nr. 4.

Nachrichten.
Cassel. (…).
Am 9. September debütierte Herr Gerstäcker vom Hoftheater zu Detmold als Iwanow in “Zar und Zimmermann”. Die Leistungen des noch jungen Künstlers sind von nur geringerer Bedeutung. Die Stimme ist zwar rein, weich und egal, aber bis jetzt bei Weitem noch nicht kräftig genug für den größeren Bühnenraum. Dem Vortrage des Herrn Gerstäcker gebricht es vornehmlich an der für Bühnendarstellungen nötigen Deutlichkeit und Bestimmtheit des Ausdrucks.


Februar. Nr. 8.

Feuilleton.
Am Bernburger Theater ist Fräul. Lortzing, Tochter des beliebten Opernkomponisten, angestellt worden; man bezeichnet sie als eine talentvolle Anfängerin im Gesange.


März. Nr. 12.

Feuilleton.
Am 4. März wurde in Leipzig Lortzing’s Undine zum ersten Male mit beifall aufgeführt. Der Komponist dirigierte selbst. – Wie man sagt, geht Lortzing nach Wien als Musikdirektor am Theater an der Wien (an Netzer’s Stelle); ein anderes Gerücht lässt ihn mit Ringelhardt nach Riga gehen.


Mai. Nr. 18.

Nachrichten.
Frankfurt a.M. Vom 1. januar bis 31. März 1846. (…) Den Wiederholungen unserer laufenden Oper stets zu folgen, besonders wenn sich nichts Neues unter ihnen findet, dürfte manchem Leser der Allgem. musikal. Zeitung lästig werden; allein da sich gerade in den Darstellungen der Fort- oder Rückschritt der Institute bekundet und wir im Übrigen auch den Status unserer musikalischen Verhältnisse im Auge halten müssen, so darf Referent mit der Aufzählung dieser Opern nicht verschonen. Diese waren also: Belisar, Blaubart, Der kleine Matrose (nach dem Französischen mit Musik von Gaveaux, zum Benefiz Conrad’s), Tell, Freischütz, Adlers Horst, Lucrezia Borgia, Der Arrestant, Zar und Zimmermann, Zauberflöte, Regimentstochter, Teufels Anteil, Vestalin, Fidelio, Nachtlager, Barbier von Sevilla, Zampa, Wildschütz, Norma, Liebestrank (von Donizetti), Joseph in Ägypten, Don Juan, und zur Lust, wie zum Karnevalsjokus: Der Verschwender, Weltumsegler, Donauweibchen, Teufelmühle, Doktor und Apotheker, und Die Schwestern von Prag.


Juni. Nr. 25.

Nachrichten.
Wien, den 31. Mai 1846. Ich beeile mich, Ihnen anzuzeigen, dass gestern im Theater an der Wien die erste Aufführung von Lortzing’s neuester Oper: “Der Waffenschmied von Worms” Statt gefunden hat; diese komische Oper, eigentlich nur Singspiel, im Style des Wildschützes gehalten, ist weniger originell, als höchst geschmackvoll und mit vielem Geschicke gearbeitet, die Instrumentierung nett und pikant, mit wenig Lärm, doch viel Effekt. Der zweite Akt ist der hervorragendste; die Handlung, obwohl sehr einfach, ist doch mit mehreren komischen Situationen ausgestattet. Die Aufnahme von Seite des Publikums war eine höchst beifällige, die Sänger und namentlich der Komponist wurden nach allen drei Akten und besonders am Schlusse mehrmals unter stürmischem Beifalle gerufen. Grossen Anteil an dem grossen Beifalle der Oper hat Staudigl, welcher als Waffenschmied, zum ersten Male, eine komische Partie gab und diese Rolle mit so viel Wahrheit, Natürlichkeit und köstlicher Laune durchführte, wie überhaupt der geniale Künstler Alles, was er nur unternimmt, zur Virtuosität bringt; die übrigen Rollen waren durch Dem. Eder und die Herren Becker, Gehrer, Radl besetzt, und genügend, die Ausstattung war anständig; zwei Nummern wurden zur Wiederholung verlangt, namentlich gefiel ein Strophenlied im dritten Akte, gesungen von Staudigl. So viel nach der ersten, etwas stürmischen Aufführung, welche aber an diesem Theater nicht sehr Wunder nehmen darf.


Juni. Nr. 25.

Feuilleton.
Die Wiener Sonntagsblätter teilen folgendes Verzeichnis von Lortzing’s Kompositionen mit: Ali Pascha von Janina, Oper in einem Aufzug; Der Pole und sein Kind; Der Weihnachtsabend; Andreas Hofer; Szenen aus Mozart’s Leben, Singspiel; Musik zu Grabbe’s Don Juan und Faust; Christi Himmelfahrt, Oratorium; Die beiden Schützen; Zar und Zimmermann; Caramo oder das Fischerstechen; Hans Sachs; Casanova; Der Wildschütz; Undine; Der Waffenschmied von Worms. – Eine tragische Oper: Die Schatzkammer des Inka, ist unvollendet.


Juli. Nr. 26.

Feuilleton.
Lortzing ist vom 1. September d.J. an als Kapellmeister am Wiener Theater an der Wien an Netzer’s Stelle angestellt worden.


Juli. Nr. 27.

Nachrichten.
Wien. (…)
Am 30. Mai hörten wir im Theater an der Wien Lortzing’s neuestes Werk: “Der Waffenschmied von Worms” unter seiner eigenen Direktion. Diese Oper ist in dem Genre der früheren Werke dieses Komponisten gehalten und zeugt von seiner verständigen und richtigen Konzeption, von seinem gebildeten Geschmack und von tüchtiger Effektkenntnis. Darin vorkommende Einzelheiten sind ausgezeichnet zu nennen, besonders zeigt das Instrumentale und so manche Gesangpiece von der Routine und dem regen Fleiß Lortzing’s; doch steht das Gesammtprodukt an Originalität und auch rücksichtlich seines minder interessanten Libretto’s den früheren Opern bedeutend nach, da es auch eher auf den Titel eines Singspieles als einer Oper Anspruch machen sollte. Die Aufführung selbst ward von lebhaftem Beifalle begleitet und Herr Direktor Pokorny hatte eben nicht Unrecht bei Gelegenheit als er während des Zwischenaktes unter anhaltendem Applaus Herrn Lortzing auf die Bühne führte, ganz bescheiden auf den Kompositeur hinzuweisen, denn gewiss wäre es Niemand in den Sinn gekommen, den Direktor, mit welchem man ohnedies nicht mehr besonders sympathisiert, seinen Dank oder seine Anerkennung an den Tag zu legen, mit Ausnahme der Claqueurs, welche ihn vorschriftsmäßig nach jeder neuen Vorstellung hervorrufen müssen, was ihnen auch bisweilen gelang. – Die Oper selbst war besser studiert, wie gewöhnlich, was jedoch noch lange nicht zum Lobe für dieses Personale angerechnet werden kann, da noch ein bedeutender Schritt zur präzisen Aufführung übrig bleibt.
(…)


Juli. Nr. 29.

Nachrichten.
Aus Dresden. Oper. (…) – Gäbe das Repertoire an sich, d.h. ohne Rücksicht auf die Darstellung der einzelnen Werke selbst, einen Maßstab für die Beurteilung der Tätigkeit einer Bühne, ihres Strebens und der Kunststufe, welche sie erreicht, so würde man bei uns zufrieden sein können. Denn das Repertoire des verflossenen Semesters müssen wir wirklich als ein zufriedenstellendes bezeichnen. Wir haben neunundzwanzig verschiedene Opern in etlichen und sechzig Aufführungen gehört, darunter fünfzehn deutsche (Gluck: Alceste, Armide; Mozart: Don Juan, Figaro, Zauberflöte; Beethoven: Fidelio; Spohr: Jessonda; Weber: Oberon, Freischütz; Winter: Opferfest; Wagner: Tannhäuser; Marschner: Templer; Lortzing: Zar; Flotow: Stradella; Lecerf: Jery und Bätely); (…)


August. Nr. 33.

Nachrichten.
Wien, am 18. Juli 1846. (…) Als Gäste bekamen wir die beiden Tenöre Herrn Cramolini von Darmstadt am 7.d.M. als Peter Iwanoff in Lortzing’s “Zar und Zimmermann” und am 12. als Tonio in der “Regimentstochter”, und Herrn Caspari von Frankfurt a. M. am 8. als Stradella zu hören. Cramolini, ein alter Bekannter an dieser Bühne, hat sich beinahe schon überlebt, seine Blütezeit ist vorüber, und ein giftiger Abendtau wird sich bald über seine Stimmblume hinlagern und den Schmelz des Tones abstreifen. Sein Spiel jedoch ist beweglich und sicher und seine Mittel für die sekundäre Partie eines Iwanoff vollkommen ausreichend; aber einen Tonio erlauben ihm seine Mittel nimmermehr zu singen, das war ein zu gewagter Wurf, der durch einen Fiasko doch gar zu strenge bestraft war. (…)


Oktober. Nr. 40.

Nachricht.
Wien, den 18. September 1846.
(…)
Am 17. d.M. hörten wir Lortzing’s “Beide Schützen”. Über den Gehalt dieses Opus aus der Feder unseres geistreichen und bühnenkundigen neuen Herrn Kapellmeisters sind bereits Urteile von allen Orten her in den Annalen der musikalischen Tagesgeschichte niedergelegt worden; über die Aufnahme, welche diesem – unrichtig mit dem Namen “Oper” belegten – Werke bei diesmaliger Vorführung zu Teil wurde, genüge zu erwähnen, dass Lortzing wiederholt gerufen wurde, dass sich aber jeder Zuhörer gewiss bei sich selbst zugeschworen, nicht zum zweiten Male diese Piece von derselben Besetzung mehr hören zu wollen.
(…)


Oktober. Nr. 41.

Rudolstadt. Unter den kleineren Städten, in welchen ein reges Musikleben herrscht und in welchen die Tonkunst sich einer verhältnismäßig sehr reich entfalteten Blüte zu erfreuen hat, nimmt sicherlich die kleine, reizend gelegene Residenz Rudolstadt nicht den letzten rang ein; ja man darf wohl nit Recht behaupten, dass sie in jener Beziehung manche andere, weit umfangreichere Stadt bei weitem überflügelt hat. Nächst der Kunstliebe und der Liberalität des fürstlichen Hauses hat man diesen glücklichen Umstand unstreitig den früheren vieljährigen Bemühungen des vorigen trefflichen Kapellmeisters Max Eberwein, der als Komponist, wie als Dirigent gleich preiswürdig war, so wie dem beharrlichen und umsichtigen Fleiß seines durch Komposition mehrerer Symphonien und anderer Werke auch im Auslande rühmlichst bekannt gewordenen Nachfolgers F. Müller zu verdanken, der in jeder Beziehung in den von seinem Vorfahr angebahnten Wegen würdig fortschreitet. (…)

Um den Lesern dieses Blattes eine Übersicht des musikalischen Standpunktes zu geben, auf welchem man sich in Rudolstadt bewegt, teilen wir hier das Repertoire eines Musikjahres mit.

Die aufgeführten Opern und Vaudevilles waren folgende: Die Belagerung von Corinth von Rossini, zwei Mal. Der Wildschütz von Lortzing. Die Zauberflöte von Mozart. Der Barbier von Sevilla von Rossini. Fra Diavolo von Auber. Undine von Lortzing, zwei Mal. Des Adlers Horst von Gläser. Die Hugenotten von Meyerbeer, drei Mal. Zar und Zimmermann von Lortzing. Don Juan von Mozart. Der Postillon von Lonjumeau von Adam. Die Sirene von Auber. Alessandro Stradella, zwei Mal. Des Teufels Anteil von Auber. Der Wasserträger von Cherubini. Die neue Fanchon. Vaudeville: Köck und Guste. Die Hochzeit vor der Trommel. Donauweibchen. Dorfbarbier. Weltumsegler wieder Willen u.a.m. – (…)


Dezember. Nr. 51.

Feuilleton.
In Königsberg (wo, beiläufig gesagt, der Tenorist Eichberger jetzt Opernregisseur ist) hat Lortzing’s Undine sehr gefallen.


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