AMZ: 50 – 1848

Februar. Nr. 7.

Nachrichten.
Franfurt a.M.
(…) Im Jahre 1848 sahen wir bereits die Opern: Undine, Regimentstochter, Oberon, Mozart und Schikaneder, Nabucco und Adam’s “Zum treuen Schäfer” (wiederholt).
(…)

In der letzten Vorstellung der Undine merkte man, daß Herr Mühldorfer nicht zugegen war. Dennoch gefiel die Oper, als wenn Alles, wie früher, am Schnürchen gegangen wäre. Verstöße zu erwähnen, welche keine Regie Durchlässen sollte, so schlugen der italienische Fürst (Undine), wie kürzlich die Gräfin Maggiorivoglio Laute und Piano mit Handschuhen an den Fingern, wie auch jüngst der Page in Johann von Paris die Gitarre mit schweren Reiterhandschuhen spielte. Solche Kunststücke mögen einer hochadeligen Aristokratie gelingen, Scholz und Thalberg sollen’s aber einmal nachmachen!


Juni. Nr. 23

Neue Musikalien.
Lied aus der Oper: “Der Waffenschmied”, von A. Lortzing, für das Pianoforte übertragen von F.L. Schubert. Pr. 5 Ngr. Ebendas. (Leipzig, bei Breitkopf und Härtel)

Die Übertragung des beliebten Liedes ist wirksam und geschickt gemacht.


Juni. Nr. 24.

Rezension.
Zum Groß-Admiral. Komische Oper in drei Akten; nach dem Französischen bearbeitet von Albert Lortzing. Vollständiger Klavierauszug von F.L. Schubert. Leipzig, bei Breitkopf und Härtel. Pr. 7 Thlr.

Lortzing besitzt das in Deutschland so seltene Talent, sich bühnenwirksame Operntexte selbst herrichten zu können. Was das bedeutet, zeigen die Opern, zu denen er die Bücher von anderen erhalten. Diese sind ziemlich von den Bühnen verschwunden. Der Text zu vorliegender Oper, irren wir nicht, vom Komponisten nach einem zweiaktigen Lustspiele bearbeitet, das zu Anfange dieses Jahrhunderts unter dem Titel: Heinrich’s IV. Jugendjahre öfter auf den deutschen Bühnen gegeben wurde, hat das große Verdienst, nicht langweilig zu sein. Eine bedeutende Verwickelung weckt das Interesse gleich in den ersten Szenen. Man sieht eine liebende Gattin und Fürstin, die von ihrem Gemahl vernachlässigt wird, der seine Freuden außerhalb und nicht immer an den schicklichsten Orten aufsucht. Selbst an seinem Geburtstage zeigt er keine Teilnahme für das von Gattin und Hof veranstaltete Fest. Sein gefährlicher, ihn bestärkender und unterstützender Bundesgenosse ist der Graf Rochester. Ein Vertrauter rät nun der unglücklichen Fürstin, den Grafen zu gewinnen, um den Prinzen von seinen unprinzlichen Streichen abzubringen. Gewonnen wird der Graf durch das Versprechen, Lady Clara, die erste Hofdame der Fürstin, die er liebt, zur Gemahlin zu erhalten, wenn er das begehrte Werk vollbringt. So gefährlich die Aufgabe ist, verspricht er sie zu versuchen, und durch eine glücklich angelegte Intrige, die zu interessanten und pikanten Situationen Anlaß gibt, erreicht er endlich seinen Zweck. Ein Liebesverhältnis des Pagen des Prinzen mit der Tochter des Wirtes “Zum Großadmiral”, welche später als Nichte des Grafen erkannt wird, bildet eine interessante Episode und hilft die Hauptintrige zugleich als notwendiger Bestandteil des Ganzen schürzen sowohl als entwickeln.

Wie schon bemerkt, zeigt sich die Kenntnis wirksamer Bühnenmaximen des Bearbeiters gleich in der schnellen Exposition der Hauptverwickelung durch die ersten Szenen. Doch ermattet das Interesse im Verfolge diese Aktes etwas, da die Intrige, auf welche man gespannt worden, eigentlich erst im zweiten und dritten Akte aus- und abgesponnen wird. Der Komponist wollte mehrere Gesangstücke in diesem Akte, die Handlung aber nicht. Die beiden anderen Akte dagegen haben rascher auf einander folgende Momente, die Aufmerksamkeit wird in Atem erhalten, und man geht am Ende freundlich unterhalten von dannen. Eine Maxime bei Behandlung der Singtexte Lortzing’s möchten wir allen Librettodichtern dringend zur Nachahmung empfehlen, nämlich die langen Strophen. Wiederholungen in der Musik sind angenehm, denn sie heften die Hauptgedanken in’s Gedächtnis. Wiederholungen derselben Worte hundertmal hinter einander sind ermüdend, unnatürlich und widerwärtig.

Als Komponist wird Lortzing nicht von der Gewalt des Genie’s und tiefer musikalischer Gelehrsamkeit zu Erstrebung höherer Ideale angetrieben. Von einer heiteren Kunstansicht geleitet und mit einem glücklichen Talente bloß begabt, steuert er auf das leicht Begreifliche und ein tiefes Kunstverständnis der Hörer nicht in Anspruch nehmende Anmutende zu, und erreicht es meistenteils. Dabei hält er aber doch vorzugsweise an dem deutschen Elemente fest, und sucht sich der ausländische Einflüsse zu erwehren. Seine Natur ist auf das Heitere und Komische angelegt, und darin gelingt ihm das Meiste und oft in bedeutendem Grade. Das Ernste dagegen, die tieferen Gefühle, die starken Leidenschaften liegen nicht in seinem Gemüte. Daher fühlt man bei solchen Schilderungen in seinen Opern wohl den Willen, aber nicht die Tat; man merkt leicht, daß er hier nicht wirklich entflammt ist, sondern nur so tut. So ist z.B. auch in dieser Oper die Gemahlin Heinrich’s ohne eindringliche Wahrheit des Charakters und Gefühls; Copp Movbrai dagegen, der joviale humoristische Gastwirt zum Großadmiral, ein wirklicher Charakter, eigentümlich, festgehalten und objektiv gezeichnet. Hiernach stellt sich nun der Wert der einzelnen Musikstücke auch gleich heraus. Die ernsthaften Arien und Duette gehen ohne merkliche Wirkung an der Seele vorüber, die heiteren und komischen Stücke dagegen erwecken warmes, lebhaftes Interesse. Zu der ersten Art gehört z.B. das Duett zwischen Catharina und dem Grafen Rochester. Er tritt mit folgender Rede auf.

Des Landes Stolz und schönste Zier zu schauen,
O hohes Glück, mit dem mein Tag beginnt,
Ist mir vergönnt, die edelste der Frauen
Zu fragen, ob sie huldvoll mir gesinnt?

Diesen Auftritt kündet folgendes Vorspiel mit ganzem Orchester fortissimo an.

Mit solchem Bombast eines noch dazu der Erfindung nach gewöhnlichen Konzerttutti’s tritt ein feiner und intriganter Hofmann nicht in das Zimmer und vor eine hohe Fürstin und Frau. Das ist allenfalls Hohn eines triumphierenden Siegers über eine für immer macht- und einflußlos gewordene Fürstin, aber nicht Ansprache einer, die man wohl zu fürchten hat, und der man Ehrfurcht schuldet und zeigen muß.

Von so leichtfertigem, auf Charakter, Situation und daraus entspringender Gefühlsweise gar nicht Rücksicht nehmendem Hinwurf der Gedanken, wie sie eben im Augenblicke sich zuerst anbieten, ohne Prüfung, ob sie sagen, was sie sagen sollen und müssen, liefert der Jägerchor Nr.4 ein weiteres Beispiel. Hofherren und Pagen treten, von der Jagd zurückkehrend, in demselben Zimmer auf, wo die Fürstin sich eben befand und deren Wohnzimmer gewiß in der Nähe ist. Nun drücken jene singend aus, daß die Jagd geendet und neue Fest- und Becherfreuden sie erwarten. Hier ist zunächst von einer Jagdfarbe eben so wenig eine Spur, als von der modifizierten Aussprache der Gefühle feiner Hofherren und Pagen, so wie der Situation im königlichen Zimmer. Man hört einen gewöhnliche rauschenden Theaterjubel, wie ihn gewöhnliche Bedienten, wenn sie im Freien unter sich wären, etwa ausdrücken würden. Aber Hofherren oder gewöhnliche Diener, sie würden in der Es-Dur-Stimmung ihrer Gemüter die neuen Freuden nicht, wie hier geschieht, in C Moll anfangen zu empfinden, denn sie haben keine verlorene Freude zu bedauern, sondern eine neue zu erwarten. Da läßt sich kein Mollakkord in der Seele vernehmen. Nun geht aber bei der Vorstellung des Freudenbechers die Modulation gar nach Des Dur und F Moll! Wenn der Gedanke an einen guten Becher Wein die Leute aus Es Dur in das ferne und ungewohnte Des Dur und F Moll treibt, welche Tonarten und Modulationen bleiben dem Komponisten übrig, wenn er den Tumult, die wütenden Kämpfe und Riesensprünge aus dem Grunde aufgewühlter Leidenschaften zu schildern hat? Die Tonmodulation ist das Analogen der Gemütsmodulation, und nur wenn diese als mit jener genau übereinstimmend nachempfunden wird, entsteht das Gefühl der Wahrheit in dieser Beziehung. Ein Muster weiser Sparsamkeit der Modulation, fester Haltung innerhalb genau dem Gefühle angepaßter Schranken ist – Spontini. Lange Perioden hindurch gebraucht er oft nichts als die gewöhnlichste Harmonie, erste, fünfte, vierte Stufe. Tritt dann ein unerwarteter Ruck, Riß, Sprung im Gemüte ein, so hat er auch einen unerwarteten Akkord dafür, und die Wirkung ist außerordentlich. Man untersuche in dieser Beziehung auch in allen Mozart’schen Opern die Stücke, die einfachere Charaktere und ruhigere Situationen und Empfindungen darstellen, und man wird sehen, welche einfache Harmoniefolgen er dabei durchgängig anwendet. Das erste Papagenolied z.B. bringt nichts als erste und fünfte Stufe, eine einfachste Berührung der Ober- und Unterdominante, und damit gut. Wir haben uns bei diesem Punkte etwas aufgehalten, weil nicht allein Lortzing, sondern die allermeisten Komponisten am Allerhäufigsten gegen diese Regel sündigen und sich daher die Wirkung, insofern sie von der Harmonie und Modulation abhängt, unmöglich machen, und weil doch dieser Fehler so leicht zu vermeiden ist, und weil doch dieser Fehler so leicht zu vermeiden ist, wenn er dem Bewußtsein aufgegangen ist.

Über das Lobenswerte der Lortzing’schen Musik brauchen wir kaum sprechen, denn es ist schon oft geschehen, und das beste Zeugnis dafür ist die freundliche Aufnahme seiner meisten Opern auf allen deutschen Bühnen. Seine Lieder haben, ohne trivial zu sein, ein so volkstümliches Element in sich, daß sie in allen Köpfen und Herzen gleich hängen bleiben, und in Wirklichkeit oder Erinnerung ertönend, die freundlichste Stimmung erwecken. Wer das nicht für ein grosses Verdienst gelten lassen will, mit dem wollen wir nicht streiten. Alle, die es versucht haben, eine Melodie in’s herz und in die Erinnerung des Volkes zu singen, wissen, wie schwer diese Aufgabe zu lösen. Aus den meisten seiner Ensemble’s geht weiter ein dramatisch-musikalisches Talent hervor, das auch bedeutender ist, als Manche zugestehen wollen, welche die Schwierigkeiten nicht kennen, die der klaren und verschiedener Wortsätze zu einem angenehmen Ganzen sich entgegenstellen. Wir geben zum Beleg nur ein Beispiel, den Anfang des Finale’s Nr.11, wo der Prinz, im Gasthofe zum Großadmiral, als Matrose verkleidet, die Zeche bezahlen soll und nicht kann, weil ihm die Börse gestohlen worden.

Wir haben die Überzeugung, daß in Lortzing ein tieferes Talent wohnt, eine Schaffenskraft zu bedeutenderen Werken noch, als er bis jetzt zu Tage gefördert. Vielleicht hält ihn nichts als zu schnelles Arbeiten davon ab. Wollte er einmal die Aufgabe sich höher stellen, mit grösserer Beharrlichkeit nach deren Lösung ringen, und unter dem von seiner Fantasie herbeigeschafften Stoffe strenger wählen, er würde sich nicht selbst übertreffen, indem er sein Talent erreichte. – Der Klavierauszug ist recht geschickt bearbeitet; er gibt überall das Wesentliche und ist dabei doch leicht spielbar.
Dn.


Juni. Nr. 26.

Kleine Briefe aus Gotha und Koburg.
(…) Im Zar und Zimmermann spielte Herr Räder aus Dresden besser als er sang: (…)


September. Nr. 36.

Feuilleton.
Robert Schumann hat nun seine Oper: “Genoveva” beendet. – Lortzing schreibt an einer neuen Oper, Namens “Regine”.


Dezember. Nr. 49.

Feuilleton.
Anerkennenswert: das Hamburger Stadttheater brachte in Einer Woche: “Die Stumme” – “Belisar” – “Zar und Zimmermann” und “Tell”.


Dezember. Nr. 51.

Hamburg. (Novemberbericht. Beschluß).
(…)
Mit Einschluß der eben speziell erwähnten Werke enthielt das Repertoire des Stadttheaters dreizehn Opernvorstellungen, nämlich Zar und Zimmermann fünfmal, Tell zweimal, der Wildschütz dreimal, die Stumme von Portici, die Zauberflöte, Norma jede einmal.
(…)