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Czaar und Zimmermann, oder die beiden Peter. Komische Oper in 3 Acten von G. A. Lortzing. Leipzig, Breitkopf u. Härtel. 6 Thlr. in: NZfM 9 (1838/2), Nr. 26, 28. September 1838, S. 103-104
Diese Oper des Opern-Regisseur am Leipziger Stadttheater, über deren erste Aufführung und günstige Aufnahme in diesen Blättern schon früher berichtet wurde, ist seitdem wiederholt gegeben und hat sich in der Gunst des Publicums zu erhalten gewußt. Die Grundzüge der Handlung sind in Kurzem diese: Peter der Große arbeitet unter dem Namen Peter Michaelow als Zimmergeselle in einem [sic!] Schiffswerft zu Saardam. Nur der französische und russische Gesandte wissen um sein Geheimniß. Es wird ihm nachgestellt; Lord Lindham, der englische Gesandte, ist ihm auf der Spur, geräth aber an einen falschen Peter, einen jungen Russen, Peter Iwanow, des Czaars Arbeitsgenoß. Vom Czaar und seinen Freunden wird dies Mißverständniß benutzt, um glücklich zu entkommen. Die dünkelhafte Aufgeblasenheit und lächerliche Beschränktheit des Bürgermeisters von Saardam, und das Liebesverhältniß seiner Nichte Marie zu Iwanow bilden die romantischen und komischen Elemente. Der Text ist nicht frei von einzelnen Fadaisen und Unwahrheiten, aber mit Gewandtheit und Bühnenkenntniß ausgeführt, und unterhält durch die ergötzliche Mischung spannender und lächerlicher Scenen. Der Musik kann tiefe, schlagende Originalität nicht nachgerühmt werden, sie bewegt sich auf schon gebahnten Wegen, aber mit Geschick und Gewandtheit. Daß der Componist selbst erfahrener Schauspieler und dramatischer Sänger ist, hilft ihn [sic!] über manche Schwierigkeiten hinweg, an denen ein angehender Operncomponist, auch ein begabter, Anstoß finden, wenn nicht scheitern kann. Wenig zu wundern hat man sich daher, wenn wir gerade das zu dem Gelungensten der Oper rechnen, was nicht eben das leichteste ist, nämlich die größern vielstimmigen Ensemblestücke. Hier, wo die Handlung, das Spannende der Situation das Hauptinteresse in Anspruch nimmt, wo die Musik mehr begleitend, ausmalend, behend auftritt, wo es mehr auf gewandte Benutzung der Effectmittel, Abrundung der Form, Bühnenkenntniß, als auf Eigenthümlichkeit der Erfindung ankommt, da ist der Componist am meisten auf seinem Platze. So in der Introduction, in den Finalen, namentlich dem 1sten und 2ten, einem Sextett im 2ten Acte, das sich jedoch zu sehr dehnt, und bei gedrängterer Form jedenfalls wirksamer sein würde; dann in einem Chor und Ensemble im 1sten und einem dergleichen im 3ten Acte. Bei letzterem kommen wir jedoch zu einer andern lobenswerthen Seite der Musik, wir meinen die Komik. Das Lächerliche, was in den Worten, oder der Situation liegt, weiß die Musik gut zu unterstützen und hervorzuheben und enthält manchen eigenen humoristischen Zug, z. B. das Unisono, worin das Chor den Bürgermeister mit demselben Motiv verspottet, womit derselbe seine Weisheit zu rühmen nicht müde wurde. Das erwähnte Ensemble und ein komisches Duett im 2ten Act gehören zu den wirksamsten Nummern, so wie die Arie des Bürgermeisters im ersten Act, welche sich jedoch ebenfalls etwas zu sehr in [/104] die Länge zieht, und namentlich gegen den Schluß, zu ihrem Vortheil etwas gedrängter sein könnte. Schwächer zeigt sich dagegen die Musik da, wo se von der scenischen Einwirkung frei, oder weniger unterstützt, durch sich selbst zu gelten hat, so in der Arie des Czaar im 1sten Act, in einigen Liedern und Romanzen und in der Ouverture. Das Technische: Stimmenführung, harmonische Arbeit, Benutzung des Orchesters, und der menschlichen Stimme, Declamation bis auf weniges Sonderbare und Unrichtige, ist so frisch und natürlich und mit so viel Fleiß und Geschick ausgeführt, daß der Oper auch eine weitere Verbreitung wohl zu gönnen ist.